Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsstreit über Anspruch auf Unterlassung verschiedener negativer Äußerungen einer Krankenkasse im Zusammenhang mit hausarztzentrierter Versorgung. Nichtanwendung der Regelung des § 12 Abs 2 UWG im sozialgerichtlichen Verfahren. Grenzen des Wettbewerbs zwischen gesetzlichen Krankenkassen bestimmen sich nicht nach dem UWG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelung in § 12 Abs 2 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) (juris: UWG 2004), wonach zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung (ZPO) bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden können, findet im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung (Anschluss an LSG Essen, Beschlüsse vom 7.5.2008 - L 5 B 8/08 KR ER und vom 27.5.2008 - L 11 B 6/08 KR ER).

2. Die Grenzen des Wettbewerbs zwischen gesetzlichen Krankenkassen bestimmen sich nicht nach dem UWG (vgl BSG vom 31.3.1998 - B 1 KR 9/95 R = BSGE 82, 78, 79 = SozR 3-2500 § 4 Nr 1).

3. Zur Frage, inwieweit sich Krankenkassen (negativ) zur hausarztzentrierten Versorgung äußern dürfen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Antrags- und Beschwerdeverfahren wird auf je 7.500,- € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragstellerin gegen die Antragsgegner einen Anspruch auf Unterlassung verschiedener Äußerungen in einem Informationsblatt der Antragsgegner über die hausarztzentrierte Versorgung hat.

Die Antragstellerin ist Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung und bietet ihren Mitgliedern im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73 b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ein “A.-Hausarzt Programm„ an. Der Antragsgegner zu 1 ist der L. der Betriebskrankenkassen B.-W., die Antragsgegnerin zu 2 eine gesetzliche Betriebskrankenkasse und Mitglied beim B. L. und die Antragsgegnerin zu 3 eine gesetzliche Innungskrankenkasse.

Auf der Homepage der Antragsgegnerin zu 2 war bis zum 12. Mai 2009 ein Informationsblatt unter der Rubrik “hausarztzentrierte Versorgung - Schlucken Sie nicht jede Pille! - Wichtige Infos zu den umstrittenen Hausarztmodellen„ zum Herunterladen eingestellt. Als Herausgeber firmierten neben den Antragsgegnern zu 1 und 3 der V. d. E. e.V. (VdEK). In dem Informationsblatt wird Folgendes ausgeführt:

Schlucken Sie nicht jede Pille!

Gut versorgt beim Hausarzt? - eine Versicherten-Information Ihrer Krankenkassen

Sie wurden bereits von Ihrem Arzt auf neue Modelle, die den Hausarzt als Versorger in den Mittelpunkt stellen, angesprochen.

Hier die wichtigsten Fakten

- Ihr Hausarzt möchte Sie nur noch im Rahmen eines Hausarztmodells behandeln?

- Eine Teilnahme am Hausarztmodell ist völlig freiwillig. Sie haben jederzeit das Recht auf eine qualifizierte hausärztliche Behandlung. (Ihr Arzt darf seine allgemeine Unzufriedenheit mit seiner Honorarsituation nicht auf Ihrem Rücken austragen.) Sollte Ihr Arzt Sie ohne Einschreibung in ein Hausarztmodell nicht behandeln, wenden Sie sich bitte unbedingt an einen Kundenberater Ihrer Krankenkasse.

Im Übrigen ist die Teilnahme an dem Modell auch für den Hausarzt freiwillig. Weit mehr als die Hälfte der Hausärzte in B.-W. haben sich bisher bewusst gegen ein Hausarztmodell entschieden - und damit für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Arzt und Patient ohne vertragliche Bindung!

- In Hausarztmodellen sind Sie in der Wahl Ihres Arztes eingeschränkt!

- Sie binden sich damit vertraglich für mindestens 1 Jahr an einen Hausarzt.

- Als Patient ist es Ihr gutes Recht, Ihren Arzt selbst und frei zu wählen!

- Wir schreiben Ihnen die Wahl Ihres Arztes nicht vor.

  Der richtige Arzt für Sie nimmt sich ausreichend Zeit für das Gespräch mit Ihnen, informiert Sie über alle Schritte und lässt Sie nicht warten.

- KeinHausarzt ohne Facharzt!

- Neben der qualifizierten hausärztlichen Behandlung halten wir für Sie eine umfassende und optimale Therapie auch mit Fachärzten und Klinischer Therapie für notwendig. Mit dieser “Hand in Hand - Versorgung" haben Sie die besten Möglichkeiten zur Genesung.

- Therapiefreiheit für Ihren Hausarzt!

- In Hausarztmodellen wird auf die Therapiefreiheit von Ärzten aktiv Einfluss genommen. Mit dem dadurch eingesparten Geld, soll ein Hausarztmodell vorwiegend finanziert werden.

- Warum hat meine Kasse kein Hausarztmodell?

- Die Betriebs- Innungs- und Ersatzkassen verhandeln zurzeit mit in Frage kommenden Partnern. Sie arbeiten an Lösungen, um die bewährte, gute hausärztliche Versorgung in B.-W. weiter zu verbessern. Nur eine Versorgung, die auf Ihre Bedürfnisse als Patient zugeschnitten ist, kann hierzu einen Beitrag leisten.

Wir sind davon überzeugt, dass ein durch Druck Ihres Arztes entstandener Zwangsvertrag für Sie nicht der richtige Weg sein kann.

In einer Übersicht zwischen der ärz...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?