Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinterbliebenenrente. gem §§ 48 Abs 4 S 1 iVm 45 Abs 4 S 2 SGB 10 zu beachtende Jahresfrist. Einkommenserzielung. mitwirkendes Verschulden des Rentenversicherungsträgers
Leitsatz (amtlich)
1. Ein mitwirkendes Verschulden des Rentenversicherungsträgers für die Überzahlung einer Witwenrente ergibt sich nicht daraus, dass dieser eine Überprüfung des eigenen Versichertenkontos der Witwe auf Einkommen aus abhängiger Beschäftigung unterlassen hat. Die primäre Verpflichtung zur Einkommensanzeige obliegt allein dem Versicherten.
2. Die gem §§ 48 Abs 4 S 1 iVm 45 Abs 4 S 2 SGB 10 zu beachtende Jahresfrist beginnt erst dann zu laufen, wenn die Entscheidung über die Aufhebung aus Sicht der Behörde keine weiteren Ermittlungen mehr erfordert. Dies ist noch nicht der Fall, wenn der Behörde zwar die Höhe des erzielten Einkommens aus einer abhängigen Beschäftigung, nicht aber das in anderen Zeiträumen erzielte Arbeitslosengeld bekannt ist.
3. Die Entscheidung über die teilweise Aufhebung der Rentenbewilligung wegen erzieltem Einkommen stellt eine einheitliche Entscheidung zu einem bestimmten Lebenssachverhalt dar. In einer solchen Situation verbietet es sich, den Beginn der Jahresfrist für isolierte Teilbereiche früher festzusetzen. Stehen bei einem einheitlichen Lebenssachverhalt bestimmte Tatsachen bereits fest, wohingegen andere Tatsachen noch ermittelt werden müssen, so beginnt die Jahresfrist insgesamt frühestens nach Abschluss der Ermittlungen.
4. Ob die aus der ex ante Sicht der Behörde erforderlichen Ermittlungen schließlich zu einem für die Aufhebungsentscheidung tatsächlich relevanten Ergebnis führen, ist für den Beginn der Jahresfrist nicht relevant.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz 1 vgl LSG Darmstadt vom 2.7.2013 - L 2 R 51/13, LSG Halle vom 19.1.2012 - L 1 R 36/09 sowie LSG Essen vom 9.1.2004 - L 13 RJ 115/01.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 20. Dezember 2012 wird aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob die Beklagte von der Klägerin überzahlte Witwenrente in Höhe von 36.007,53 € zurückfordern kann.
Die 1949 geborene Klägerin ist die Witwe des 1947 geborenen und am 19. Februar 1991 verstorbenen H. A. (Versicherter), der bei der Beklagten rentenversichert war. Die Klägerin war seit 1971 mit dem Versicherten verheiratet. Aus dieser Ehe sind drei Kinder hervorgegangen.
Die Klägerin war vom 1. April 1989 bis zum 28. Februar 1991 versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 1. März 1991 stellte die Klägerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, einen Antrag auf Hinterbliebenenrente. Im Rahmen dieser Antragstellung verneinte die Klägerin unter anderem den Bezug von Arbeitslosenhilfe vom Arbeitsamt (Bl. 3 Band 1 der Verwaltungsakte).
In der Zeit vom 11. März 1991 bis 26. Juni 1991 war die Klägerin arbeitslos (Bl. 651 Band III der Verwaltungsakte).
Am 22. März 1991 füllte die Klägerin eine Anlage zum Antrag auf Hinterbliebenenrente aus. Hierin gab die Klägerin unter anderem an, dass sie keinerlei Einkommen erziele. Auch den Bezug von Arbeitslosengeld verneinte sie. Sie gab lediglich an, dass das Beschäftigungsverhältnis mit dem Ableben ihres Mannes geendet habe (Bl. 13 ff Band I der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 26. April 1991 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine ab dem 19. Februar 1991 beginnende Witwenrente. Für die Zeit vom 19. Februar 1991 bis zum 31. Mai 1991 erfolgte eine Nachzahlung in Höhe von 3.125,91 DM, ab dem 1. Juni 1991 zahlte die Beklagte monatlich 588,09 DM. Der Bescheid enthielt auf Seite 3 unter anderem folgende Angaben: “Es besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns eine Erhöhung oder das Hinzutreten von Einkommen unverzüglich mitzuteilen. Zu Unrecht gezahlte Beträge sind zu erstatten ( 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X)„ (Bl. 29 Band I der Verwaltungsakte).
In der Zeit von 1. Juli 1991 bis 30. September 1991 war die Klägerin wiederum versicherungspflichtig beschäftigt und daran anschließend in der Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 14. November 1991 wieder arbeitslos. Ab dem 15. November 1991 bis zum 31. März 2009 war die Klägerin dann wieder versicherungspflichtig beschäftigt (Bl. 651 Band III der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 9. Februar 2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 1. April 2009 eine Altersrente für Frauen mit einem monatlichen Zahlbetrag von 640,86 € (Bl. 642 Band III der Verwaltungsakte).
Am 12. Februar 2009 erhielten die Beklagte im Rahmen eines Kontenabgleichs Kenntnis von dem durch die Klägerin ab Januar 1990 erzielten Erwerbseinkommen. Wegen der Details wird auf Bl. 644 ff des Bandes III der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 17. Februar 2009 bat die Beklagte die Klägerin daraufhin einen Vordruck zur Einkommensanrechnung auszufüllen (Bl. 648 Band III der Verwaltungsakte). Die Klägerin teilte hieraufhin mit, sie habe j...