Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Leistungen zur stationären medizinischen Rehabilitation. Adaptionsbehandlung im Anschluss an eine Drogenentwöhnungstherapie

 

Leitsatz (amtlich)

Eine sog Adaptionsbehandlung, die im Anschluss an eine Drogenentwöhnungstherapie durchgeführt wird, kann eine Leistung der medizinischen Rehabilitation iS des § 40 SGB V sein. Der Umstand, dass ärztliche Interventionen im Rahmen einer Entwöhnungstherapie mit zunehmender Dauer weniger intensiv werden, spricht für den Erfolg der Maßnahme und führt nicht dazu, dass aus der mit dem Ziel der Entwöhnung medizinisch ausgerichteten Maßnahme eine berufliche oder soziale Maßnahme wird.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.06.2018; Aktenzeichen B 1 KR 87/17 B)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26.11.2015 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger 12.915,90 € nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 06.12.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.915,90 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Träger der Sozialhilfe begehrt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten für die Durchführung einer Adaptionsbehandlung.

Die bei der Beklagten versicherte Frau A.-S. R. (geb. 1993; im Weiteren nur: die Versicherte) litt an einer Suchterkrankung. Sie nahm ihren eigenen Angaben zufolge seit dem 14. Lebensjahr in unterschiedlichem Ausmaß verschiedene Drogen. In der Zeit vom 27.06. bis zum 06.07.2012 führte sie einen stationären Entzug (Entgiftung) durch. Am 20.08.2012 stellte die Versicherte bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund einen Antrag auf stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke. Die DRV Bund leitete den Antrag an die beklagte Krankenkasse weiter (Eingang dort am 31.08.2012), da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine von der DRV Bund zu gewährende Maßnahme bei der Versicherten nicht erfüllt waren. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) die Notwendigkeit der beantragten stationären Rehabilitation für die Dauer von 3 bis 9 Monaten befürwortet hatte (Sozialmedizinische Fallberatung vom 29.08.2012), bewilligte die Beklagte der Versicherten eine 3-monatige stationäre Entwöhnungstherapie (Bescheid vom 27.09.2012). Diese Therapie wurde vom 23.10.2012 bis 27.01.2013 in der Rehabilitationsklinik F. in G. (einer Klinik des Fachverbands für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Fr. e.V.) durchgeführt.

Mit Schreiben vom 10.01.2013 stellte die Rehaklinik bei der Beklagten für die Versicherte einen Verlängerungsantrag bis zum 14.05.2013. Die Klinik gab an, es sei geplant, die Versicherte am 21.01.2013 in die Adaptionseinrichtung der Rehaklinik F. (L.) zu verlegen. Sie bitte daher um Übernahme der Kosten für eine Adaptionsbehandlung in der zum Behandlungsnetzwerk gehörenden Adaptionseinrichtung in L. Es sei geplant gewesen, die Versicherte zunächst nach Hause zu entlassen. Bei einer mehrtägigen Heimfahrt sei dieser jedoch deutlich geworden, dass dies mit einer enormen Rückfallgefährdung verbunden wäre. Die Adaptionsbehandlung würde der Versicherte neben der weiteren Auseinandersetzung mit der eigenen Suchtmittelabhängigkeit, der psychischen Stabilisierung sowie der Festigung ihrer Abstinenz, den notwendigen Rahmen bieten, sich schrittweise den Anforderungen des Lebens- und Arbeitsalltags zu stellen und entsprechende Weichenstellungen für eine soziale und berufliche Reintegration vorzunehmen. In dem Antrag wurden als Ziele für die weitere Maßnahme angegeben: Herstellen der Berufs- und Erwerbsfähigkeit; Herstellen eines drogenabstinenten Umfeldes und soziale Neuorientierung; Aufbau befriedigender Freizeitaktivitäten; Aufbau und Verbesserung des Selbstwertgefühls, des Selbstbildes und der Selbstwirksamkeit; Aufbau und Erprobung rückfallprophylaktischer Strategien; Abbau des Perfektionismus und der Überforderungstendenzen; Entwicklung einer Zukunftsperspektive; Verbesserung der Selbständigkeit und Verantwortungsübernahme. Weiter wurde angegeben, die Adaptionsbehandlung erfolge im Rahmen der medizinischen Reha und unter ärztlicher Leitung. In einem 14-tägigen Umfang habe eine ärztliche Intervention stattgefunden. Schwerpunkte seien Außenorientierung und soziale und berufliche Reintegration. Der Mittelpunkt sei ein Berufspraktikum, aktive Freizeitgestaltung und Abstinenztraining unter realen Lebensbedingungen. Diesen Antrag leitete die Beklagte mit Schreiben vom 15.01.2013 an den Kläger als zuständigen Träger der Eingliederungshilfe weiter, da eine Adaptionsbehandlung keine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse darstelle.

In der Zeit vom 28.01.2013 bis 20.05.2013 wurde die Adaptionsbehandlung in L. durchgeführt. Träger dieser Adaptionseinrichtung in L. und der Reha-Klinik in G. ist der AGJ Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Fr. eV. Der Einrichtungst...

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