Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Erfüllung der Anwartschaftszeit. sonstiger Versicherungspflichtiger. Versicherungspflicht während der zweiten Kindererziehungszeit. Unmittelbarkeit. Unterbrechung nach der ersten Kindererziehungszeit durch Mutterschutzfrist ohne Mutterschaftsgeldbezug. Überbrückungszeit. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Die Unmittelbarkeit im Sinne von § 26 Abs 2a Nr 1 SGB III ist auch dann gewahrt, wenn eine Mutterschutzfrist (§ 3 Abs 2 MuSchG) direkt an eine Zeit angrenzt, in der Versicherungspflicht wegen der Erziehung eines Kindes bestand, auch wenn die zeitliche Lücke bis zur nachfolgenden Kindererziehungszeit mehr als einen Monat beträgt (Anschluss an LSG Mainz vom 31.5.2011 - L 1 AL 43/10, juris).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Februar 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch für das Berufungsverfahren die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld hat.
Die Klägerin ist Grafikdesignerin und war laut Arbeitsbescheinigung ihres Arbeitgebers, der Werbeagentur B., vom 1. September 2000 bis 7. November 2012 als Grafikdesignerin angestellt. Am 15. September 2006 wurde das erste Kind der Klägerin (J.) und am 7. November 2009 das zweite Kind (A. L.) geboren, wobei deren Geburt für den 26. Oktober 2009 errechnet war. In der Zeit vom 31. Juli 2006 bis 7. November 2012 befand sich die Klägerin abwechselnd in Mutterschutz und Elternzeit. Vom 31. Juli 2006 bis 10. November 2006 erhielt sie für J. und vom 7. November 2009 bis 13. Februar 2010 für A. L. Mutterschaftsgeld von der Techniker Krankenkasse.
Mit Aufhebungsvertrag vom 5. November 2012, den die Klägerin am 26. November 2012 erhielt, wurde das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der Elternzeit am 7. November 2012 beendet. Als Grund für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses wurde angegeben, dass es der Klägerin durch die Erziehung ihrer beiden Kinder nicht mehr möglich sei, eine Vollzeitstelle anzunehmen und der Arbeitgeber aufgrund seiner betrieblichen Situation keine Teilzeitstelle anbieten könne.
Am 28. November 2012 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und am 17. Dezember 2012 beantragte sie die Gewährung von Arbeitslosengeld. Im Antrag war als Tag der Meldung der Arbeitssuche und als Tag der Arbeitslosmeldung der 28. November 2012 vermerkt. Die Klägerin gab darin an, sie müsse sich hinsichtlich bestimmter Beschäftigungen aufgrund der Erziehung ihrer Kinder zeitlich einschränken und könne wöchentlich höchstens 15 Stunden arbeiten. Im Rahmen der von der Beklagten veranlassten Anhörung zum möglichen Eintritt einer Sperrzeit teilte die Klägerin mit, das Arbeitsverhältnis sei durch Aufhebungsvertrag beendet worden und sie habe sich gleich nach Erhalt des Aufhebungsvertrags arbeitssuchend gemeldet.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab und verwies auf die fehlende Anwartschaftszeit nach §§ 142, 143 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III).
In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch brachte die Klägerin vor, ihr erster Arbeitstag nach der dreijährigen Erziehungszeit des ersten Kindes wäre der 15. September 2009 gewesen. Der errechnete Entbindungstermin ihres zweiten Kindes sei der 26. Oktober 2009 gewesen. Sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt habe Mutterschutz bestanden. Sie habe sich somit vor der Wiederaufnahme der Arbeit in Mutterschutz befunden und mit ihrem Arbeitgeber weitere drei Jahre Erziehungszeit vereinbart.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und wies erneut darauf hin, dass die für die Gewährung von Arbeitslosengeld erforderliche Anwartschaftszeit fehle. Die Anwartschaftszeit nach § 137 Abs. 1 SGB III erfülle, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe (§ 142 Abs. 1 SGB III). Die Rahmenfrist umfasse die Zeit vom 28. November 2010 bis 27. November 2012. Personen, die ein Kind erzögen, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet habe, seien versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Erziehungszeit versicherungspflichtig gewesen seien oder eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen hätten. Die Klägerin sei unmittelbar vor Beginn der Elternzeit (zweites Kind) nicht versicherungspflichtig gewesen und habe keine Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen. Die Erziehungszeit könne daher nicht berücksichtigt werden. Innerhalb der Rahmenfrist sei die Klägerin nicht versicherungspflichtig im Sinne der §§ 24, 26, 28a SGB III gewesen. Sie habe daher die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, weil sie nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe.
Dagegen hat die Klägerin am 2. April 2013 Klage beim Sozialgericht Stuttgar...