Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Beitragsbemessung. Bezug von Zusatzrenten aus den französischen Altersversorgungssystemen ARRCO und AGIRC. Rente iS des § 228 Abs 1 SGB 5. Beitragspflichtige Einnahmen. Ausländische Rente. Ausländischer Versorgungsbezug. Pflichtmitgliedschaft in den französischen Zusatzversorgungssystemen. Vergleichbarkeit mit einer deutschen Regelaltersrente. Altersgrenze. Entgeltersatzleistung. Notifizierung
Leitsatz (amtlich)
Leistungen aus den französischen Zusatzrentensystemen ARRCO und AGIRC sind nicht als Versorgungsbezüge, sondern als Rente iS des § 228 Abs 1 SGB 5 zu werten.
Normenkette
SGB V § 228 Abs. 1 S. 2, § 229 Abs. 1 S. 2, § 237 S. 2, § 247 S. 2, § 248 S. 1, § 249a S. 2, § 250 Abs. 1 Nr. 1; VO (EG) 1408/71 Art. 1 Buchst. j, Art. 4 Abs. 1, Art. 5, 97; VO (EG) 883/2004 Art. 3 Abs. 1 Buchst. d, Art. 9 Abs. 1
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01.07.2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch im Berufungsverfahren die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe zwei Zusatzrenten, die die Klägerin aus Frankreich erhält, in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragspflichtig sind.
Die Klägerin ist seit dem 16.04.2012 als Rentnerin bei der Beklagten pflichtversichert. Sie bezieht von der DRV Bund Regelaltersrente (244,84 Euro; seit 01.07.2012: 250,19 Euro) und Witwenrente (394,29 Euro; seit 01.07.2012: 402,90 Euro), außerdem von der französischen C. Sud-Est ausländische Rente (283,99 Euro). Die AXA France zahlt ihr ausländische Versorgungsbezüge (1.522,15 Euro).
Darüber hinaus erhält sie von den französischen Altersversorgungssystemen ARRCO (“Association pour le régime de retraite complémentaire des salarieés„) und AGIRC (“Association générale des institutions de retraite des cadres„) monatlich weitere Leistungen (230,64 Euro und 1.142,79 Euro). Beide Zusatzrenten sind für die Beschäftigten in Frankreich verpflichtend. Der Arbeitgeber muss die Beiträge für diese Versicherungen aus dem Gehalt des Beschäftigten an die Zusatzversicherungssysteme zahlen. In einer von der französischen Regierung an den Rat der Europäischen Union gerichteten Notifizierung erklärte die französische Regierung unter Bezugnahme auf Art 1 Buchst j der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 (VO 1408/71), dass diese Verordnung auf das “betriebliche Versorgungssystem„ ARRCO und das “betriebliche Versorgungssystem„ AGIRC Anwendung findet. Die VO 1408/71 bzw die VO (EG) 883/04 (VO 883/2004) wird seit 01.01.2000 auf beide Altersvorsorgesysteme angewandt.
Mit Bescheid vom 28.08.2012 setzte die Beklagte den Krankenversicherungsbeitrag, den die Klägerin aus den vier französischen Leistungen zu zahlen hat, für die Zeit vom 16.04. bis 30.06.2012 auf monatlich 371,84 Euro und ab dem 01.07.2012 auf monatlich 370,66 Euro fest. Die Festsetzung erfolge “zunächst unter Vorbehalt„. Denn die Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung - Ausland (DVKA) prüfe noch, welcher Beitragssatz bei den Leistungen von ARRCO und AGIRC anzuwenden sei.
Mit Bescheid vom 13.11.2012 erhöhte die Beklagte den von der Klägerin zu zahlenden Krankenversicherungsbeitrag für die Zeit vom 16.04. bis 30.06.2012 auf monatlich 472,10 Euro (für April anteilig: 236,05 Euro) und ab dem 01.07.2012 auf monatlich 470,92 Euro; zugleich forderte sie von der Klägerin für die Zeit vom 16.04. bis 31.10.2012 Beiträge zur Krankenversicherung (und zur Pflegeversicherung) in Höhe von insgesamt 651,69 Euro nach. Zur Berechnung führte sie aus, für die Rente der C. Sud-Est gelte ein Beitragssatz von 8,2%. Hingegen gelte für die drei weiteren französischen Leistungen der volle allgemeine Beitragssatz in Höhe von 15,5%; denn bei diesen Leistungen handele es sich nicht um ausländische Renten, sondern um ausländische Versorgungsbezüge. Allerdings seien ab dem 01.07.2012 von den ausländischen Leistungen in Höhe von 3.179,57 Euro nur 3.171,91 Euro zu berücksichtigen: Im Jahre 2012 betrage die Beitragsbemessungsgrenze monatlich 3.825 Euro. Ziehe man von der Beitragsbemessungsgrenze die Renten der DRV Bund (in Höhe von 653,09 Euro) ab, verbleibe ein beitragspflichtiger Anteil in Höhe von 3.171,91 Euro.
Hiergegen erhob die Klägerin am 20.11.2012 Widerspruch. Entgegen der Auffassung der Beklagten handele es sich bei den Leistungen von ARRCO und AGIRC nicht um ausländische Versorgungsbezüge, sondern um ausländische Renten. Anzuwenden sei daher nicht der allgemeine, sondern der reduzierte Beitragssatz von 8,2%.
Im Hinblick auf die Anhebung der gesetzlichen Beitragsbemessungsgrenze erhöhte die Beklagte mit Bescheid vom 21.01.2013 den von der Klägerin zu zahlenden Krankenversicherungsbeitrag zum 01.01.2013 auf monatlich 473,45 Euro.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2013 als unbegründet zurück. Die Bewertung der Leistungen von ARRCO und AGIRC richte sich ausschließlich nach deutschem Recht. Gemäß ...