Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des vorläufig leistenden Leistungsträgers. kein Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit für geleistetes Krankengeld gegen die Krankenkasse bei vollschichtigem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherter, der deshalb arbeitsunfähig ist, weil er aus gesundheitlichen Gründen seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben kann, aber noch in der Lage ist, leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten, kann sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen; er ist im Verhältnis zur Bundesagentur für Arbeit nicht verpflichtet, weiterhin Krankengeld zu beantragen. Zahlt ihm die Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld, kann sie diese Leistung nicht von der Krankenkasse erstattet verlangen. Soweit Leistungen wie das Krankengeld von einem Antrag des Versicherten abhängen, entfällt beim Fehlen eines entsprechenden Leistungsantrags eine Entscheidungsbefugnis der Krankenkasse. Damit wird nicht die Zielsetzung der §§ 102ff SGB X unterlaufen, sondern die Dispositionsbefugnis des Versicherten beachtet.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28.09.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.880,36 € festgesetzt.
Tatbestand
Die klagende Bundesagentur für Arbeit begehrt von der beklagten Krankenkasse Kostenerstattung für geleistetes Arbeitslosengeld (Alg) an den Beigeladenen im Zeitraum vom 19.06.2012 bis 12.10.2012 in Höhe von 1.880,36 €.
Der am … 1969 geborene Beigeladene stand in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis als Hilfskraft in einem Bestattungsunternehmen. Die Arbeitszeit belief sich auf 25 Wochenstunden. Ab dem 17.05.2011 wurde er aufgrund einer Gesundheitsstörung im Bereich der Wirbelsäule arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Beklagte leistete ab dem 10.06.2011 Krankengeld (Krg). Im Zeitraum vom 08.12.2011 bis 29.12.2011 wurde eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation durchgeführt. Anschließend leistete die Beklagte wieder Krg.
Am 29.02.2012 meldete sich der Beigeladene bei der Klägerin arbeitssuchend, er stellte sich der Arbeitsvermittlung ab dem 01.05.2012 zur Verfügung. Der ärztliche Dienst der Klägerin stellte am 23.04.2012 ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit qualitativen Einschränkungen fest (Bl 5 Verwaltungsakte der Klägerin). Für die letzte Tätigkeit als Bestatter sei der Beigeladene nicht leistungsfähig.
Der Facharzt für Orthopädie G. bescheinigte auf Auszahlscheinen für Krg lückenlos Ar-beitsunfähigkeit (AU), zuletzt wie folgt:
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Auszahlschein vom |
Voraussichtliches Ende der AU |
festgestellt am |
Erst-/Folge-AU-B |
Arzt |
05.03.2012 |
23.03.2012 |
05.03.2012 |
Folge-AU-B |
G. |
19.03.2012 |
05.04.2012 |
19.03.2012 |
Folge-AU-B |
G. |
03.04.2012 |
22.04.2012 |
03.04.2012 |
Folge-AU-B |
G. |
20.04.2012 |
30.04.2012 |
20.04.2012 |
Folge-AU-B |
G. |
Im Rahmen eines sozialmedizinischen Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 30.03.2012 kam dieser zu dem Ergebnis, dass bei dem Versicherten weiterhin eine Belastungsminderung der Lendenwirbelsäule bei nachgewiesenen degenerativen Veränderungen bestehe. Die AU im Hinblick auf die Tätigkeit als Bestatter mit körperlich mittel-schwerer bis schwerer Hebe-/Tragebelastung wurde bestätigt. Bei ungestörtem Heilungsverlauf sei ab dem 01.05.2012 ein positives vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule vorhanden.
Nach Einreichung des letzten Auszahlscheins teilte die Beklagte dem Beigeladenen mit Schreiben vom 23.04.2012 mit, Krg werde bis 30.04.2012, dem Ende der AU gezahlt und stellte anschließend die Gewährung von Krg an den Beigeladenen zum 01.05.2012 ein.
Das Arbeitsverhältnis wurde durch Arbeitgeberkündigung zum 30.04.2012 beendet. Anschließend erhielt der Beigeladene vom 01.05.2012 bis 18.06.2012 Urlaubsabgeltung durch seinen ehemaligen Arbeitgeber.
AU-Bescheinigungen für den Zeitraum nach dem 30.04.2012 wurden vom Beigeladenen bei der Beklagten nicht eingereicht.
Die Klägerin zahlte im Folgezeitraum ab dem 19.06.2012 an den Beigeladenen Alg.
Mit Schreiben vom 31.07.2012 teilte die Klägerin der Beklagten mit, ihrer Auffassung nach habe der Versicherte weiter Anspruch auf Krg bis zur Aussteuerung unter den Voraussetzungen des §§ 46 ff. SGB V. Sollte die Beklagte ihre Rechtsauffassung nicht ändern, werde die Klägerin zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit Alg vorleisten und einen Erstattungsanspruch geltend machen.
Die Beklagte teilte daraufhin mit, die Arbeitsunfähigkeit sei zum 30.04.2012 durch den behandelnden Arzt beendet worden. Auch habe der Versicherte selbst sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen wollen und sich deshalb arbeitssuchend gemeldet und Alg beantragt.
Im weiteren Verlauf legte die Klägerin ein Schreiben des den Beigeladenen behandelnden Orthopäden vom 28.08.2012 vor, in welc...