Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem auch als Referent für Steuerseminare selbstständig tätigen Steuerberater

 

Leitsatz (amtlich)

Die selbstständige Vortrags- und Lehrtätigkeit einer Steuerberaterin unterliegt der Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 1 SGB VI.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.07.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die selbstständige Tätigkeit der Klägerin als „R für Steuerseminare“ der Rentenversicherungspflicht unterliegt.

Die 1982 geborene Klägerin ist seit 05.03.2015 S und als solche Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Steuerberater in Baden-Württemberg. Den Beruf der S übte sie bis Juni 2017 als Angestellte und seit 01.07.2017 als Selbständige aus.

Seit dem 01.09.2016 ist die Klägerin auch als „R für Steuerseminare" tätig. Die Seminare finden in den Berufsbildungszentren der D AG vorrangig im süddeutschen Raum statt. Die Aufträge, solche Seminare durchzuführen, erhält die Klägerin von der L. Die Seminare richten sich an Existenzgründer, insbesondere an Vermögensberater. Die Teilnehmerzahl schwankt zwischen sieben und 25 Personen. Die Teilnehmer sind der Klägerin vor Beginn der Veranstaltung nicht persönlich bekannt. Die Klägerin lernt die Teilnehmer erst während der Veranstaltung kennen. Die Teilnehmer erteilen der Klägerin vor Beginn der Veranstaltung kein Mandat zu Steuerberatung und unterzeichnen keinen schriftlichen Steuerberatungsvertrag. Die Teilnahme an den Veranstaltungen der Klägerin ist kostenlos. Für die „Durchführung [der] Seminarveranstaltungen" stellt die Klägerin der L ein zuvor vereinbartes Honorar in Rechnung (z. B. 2.096,99 € am 23.09.2016, 2.120,68 € am 21.11.2016, 1.851,93 € am 29.11.2016). Die Klägerin beschäftigt im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als „R für Steuerseminare" keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer.

Im Rahmen eines Anfrageverfahrens nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei der Beklagten erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 16.02.2017: „Der Gegenstand der Unterrichtstätigkeit ist vertraglich nicht festgelegt. [Es ist meine Aufgabe,] anhand der Seminarunterlagen Seminare frei zu halten, Fragen der Teilnehmer spontan zu beantworten und weiterführende Fragen in den Pausen zu klären. Dem Auftraggeber ist es nicht möglich, vertraglich methodische und didaktische Anweisungen zur Gestaltung des Unterrichts beizutragen. Die Vergütung erfolgt über ein festgelegtes Honorar pro Seminartag. Das Honorar wurde nach Einzelabsprache festgelegt. Die Rechnungstellung erfolgt durch mich, den Auftragnehmer, an den Auftraggeber. Die Unterrichtsräume werden gestellt. Die Unterrichtsmaterialien werden vorgegeben."

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 15.03.2017 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit der Klägerin als "R für Steuerseminare" für die S. L nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und daher in dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigte in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosigkeitsversicherung bestehe.

Mit Bescheid vom 28.02.2018 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin in ihrer selbständigen Tätigkeit als R für Steuerseminare ab 01.09.2016 gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sei und daher für die Zeit ab 01.09.2016 monatliche Pflichtbeiträge in Höhe von 271,62 € (halber Regelbeitrag), ab 01.01.2017 monatliche Pflichtbeiträge in Höhe von 278,16 € (halber Regelbeitrag) und ab 01.01.2018 monatliche Pflichtbeiträge in Höhe von 283,19 € (halber Regelbeitrag) zu zahlen seien.

Hiergegen erhob die Klägerin am 05.03.2018 Widerspruch. Als Existenzgründerin habe sie Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die ersten drei Jahre seit dem Gründungsdatum 01.09.2016. Zudem zähle die Tätigkeit als R für Steuerseminare zu den Aufgaben einer S und sei deshalb ihrer Tätigkeit als S zuzuordnen.

Bereits am 22.11.2016 hatte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht beantragt. Mit Schreiben vom 12.11.2017 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie sei als S für mehrere Auftraggeber tätig. Darüber hinaus erfolge die freiberufliche Referententätigkeit für Steuerseminare.

Mit Bescheid vom 14.06.2018 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab. Die Klägerin unterliege aufgrund ihrer Tätigkeit als R für Steuerseminare vorrangig der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Hierfür sei eine Befreiung nicht möglich.

Hiergegen erhob die Klägerin am 06.07.2018 Widerspruch. Sie machte geltend, keine Lehrerin zu sein. Sie bilde die Teilnehmer in ihren Seminaren nicht aus, sondern biete ihnen eine Orientierung, welche Aufgaben und Verpflichtungen in steuerlicher Hinsicht auf si...

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