Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Entscheidung über Leistungsanspruch. Mitwirkungspflicht des Versicherten. keine Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes. Auswahl eines Gutachters

 

Orientierungssatz

1. Ein Versicherter ist verpflichtet, der Krankenkasse bzw einem von ihr hinzuzuziehenden Gutachter die Angaben zugänglich zu machen, die zur Prüfung eines geltend gemachten Anspruchs erforderlich sind, somit auch der Erteilung von Auskünften durch ihren behandelnden Arzt zuzustimmen und diesen entsprechend von der Schweigepflicht zu entbinden.

2. Das geltende Recht kennt keine Vorschrift, die den Untersuchungsgrundsatz des § 20 Abs 1 SGB 10 derart einschränkt, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen eines geltend gemachten Anspruchs, soweit medizinische Fragestellungen zu beurteilen sind, der vom Versicherten gewünschte Gutachter immer dann heranzuziehen ist, wenn der Versicherte eine konkrete Auswahl trifft.

3. Aus der Regelung des § 76 Abs 2 SGB 10 lässt sich nicht das allgemeine Recht des Versicherten herleiten, den im Verwaltungsverfahren zur Prüfung des geltend gemachten Leistungsanspruchs hinzuzuziehenden Gutachter selbst bestimmen zu können.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.02.2004; Aktenzeichen B 1 KR 4/02 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Auswahl des Gutachters zur Prüfung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Umwandlung einer Kurzzeittherapie in eine Langzeittherapie streitig.

Die ... 1963 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 26. Februar 1998 beantragte sie die Gewährung einer Psychotherapie bei dem Arzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychiatrie und Neurologie Dr. C. Diesen Antrag konkretisierte Dr. C in dem Formular "Angaben des Arztes zum Antrag des Versicherten ..." unter dem 06. Februar 1998 dahingehend, dass eine Kurzzeittherapie mit maximal 25 Stunden als tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Sofortmaßnahme zur Krisenintervention durchgeführt werde. Der Behandlung, die am 23. Februar 1998 beginnen solle, liege eine depressive Episode sowie eine akute Alkoholsucht zugrunde. Mit Bescheid vom 03. März 1998 erklärte sich die Beklagte bereit, die Kosten der beantragten Psychotherapie zu übernehmen.

Am 16. Dezember 1999 beantragte die Klägerin die Fortführung der Behandlung. Zu diesem Umwandlungsantrag führte Dr. C in einem weiteren, dem erwähnten Formblatt entsprechenden Formular unter dem 10. Dezember 1999 aus, dass eine Langzeittherapie mit voraussichtlich insgesamt 80 Stunden einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie beabsichtigt sei. Als Diagnose gab er eine narzisstische Störung sowie einen Zustand nach maniformer Psychose an. In dem mit diesen Anträgen vorgelegten Begleitschreiben vom 08. Dezember 1999 führte die Klägerin aus, in dem vorgelegten Antragsformular den Schlusssatz zur Entbindung von der Schweigepflicht geringfügig modifiziert zu haben. Sie wolle, wie es der Formulartext auch nahe lege, besonders zum Ausdruck bringen, dass ihr Arzt lediglich die zur Prüfung des Antrags unbedingt notwendigen Angaben über sie an den Gutachter weiterleite, also die "Feststellung der Erkrankung" sowie Angaben über "vorangegangene Behandlungen und Begutachtungen zur Wahl des Behandlungsverfahrens". Eine direkte Weitergabe dieser Angaben an die Kasse, was der Formulartext erlaube, untersage sie ausdrücklich. Im Übrigen wolle sie die Auswahl des Gutachters nicht der Kasse überlassen. Diesen wolle sie selbst bestimmen, wozu sie gemäß § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) berechtigt sei. Entsprechend bestimme sie Dr. Ludwig J aus H. Im Rahmen eines Anhörungsschreibens vom 18. Januar 2000 führte die Beklagte der Klägerin gegenüber unter Hinweis auf die Psychotherapie-Richtlinien aus, dass das hiernach durchzuführende Gutachterverfahren von der zuständigen Krankenkasse eingeleitet werde, die dabei den Gutachter bestimme, um einerseits eine gleichmäßige Auslastung der Gutachter zu gewährleisten und andererseits eine objektive Beurteilung des Antrags zu ermöglichen. Aus diesem Grunde sei es nicht möglich, dass der Versicherte den Gutachter selbst benenne. Eine entsprechende Berechtigung lasse sich nicht aus § 76 Abs. 2 SGB X ableiten. Zwar sei zutreffend, dass der Gesetzgeber durch diese Regelung Sozialdaten, die der Kasse von einem Arzt oder einer anderen in § 203 Abs. 1 und 3 des Strafgesetzbuches (StGB) genannten Person zugänglich gemacht worden seien, unter einen besonderen Schutz stelle, doch werde diesen Bestimmungen dadurch Rechnung getragen, dass der nach den Psychotherapie-Richtlinien erforderliche Bericht für den Gutachter, der Daten zur Feststellung der Leistungspflicht (Diagnose, Begründung der Indikation, Beschreibung von Art, Umfang und Frequenz, fallbezogener Behandlungsplan der Therapie) enthalte, in einem verschlossenen Umschlag an den Gutachter übersandt werde, wobei selbst dem Gutachter der Name des Patienten nicht genannt werde, sondern lediglich die Chiffrenummer. Da ihr Widerspruch...

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