Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Arzneimittel (Eperzan®). Vereinbarung des Erstattungsbetrages nach § 130b Abs 3 SGB 5. Bindung an Nutzenbewertung des G-BA für Wirkstoff Albiglutid. Mischpreisbildung. Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Schiedsspruch nach § 130b Abs 4 SGB 5. Transparenz der Preisbildung. sozialgerichtliches Verfahren. Verpflichtung zur Offenlegung der Berechnungswege

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im gerichtlichen Streit um den Schiedsspruch ist die Schiedsstelle nach § 130b Abs 5 SGB V als Prozessbeteiligte und preisfestsetzendes Gremium einschränkungslos verpflichtet, auf entsprechende Anfragen des Gerichts (§ 103 SGG) Berechnungswege im Hinblick auf die Ermittlung des Erstattungsbetrages nach § 130b Abs 1 SGB V und seine Implikationen - und damit den relevanten Sachverhalt - offen zu legen.

2. Dem Beschluss des GBA über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs 3 SGB V kommt als Teil der Arzneimittel-Richtlinie (juris: AMRL) (§ 35a Abs 3 S 6 SGB V) normative Wirkung zu, die die an der Preisbildung Beteiligten ebenso bindet wie - sofern sie angerufen wird - die Schiedsstelle nach § 130b Abs 5 SGB V. Die Genannten haben im Rahmen der Preisvereinbarung oder -festsetzung keine Kompetenz, den Nutzenbewertungsbeschluss des GBA inhaltlich zu überprüfen oder zu verwerfen, auch nicht im Rahmen einer bloßen Evidenzkontrolle.

3. Mischpreisbildung ist rechtswidrig, wenn der GBA bei einer Patientengruppe einen Zusatznutzen erkannt und zugleich bei einer oder mehreren Patientengruppen einen Zusatznutzen verneint hat; ein Mischpreis führt in dieser Konstellation zu nicht nutzenadäquaten Preisverzerrungen.

4. Aus dem Vorhandensein eines Erstattungsbetrages darf nicht automatisch auf die Wirtschaftlichkeit einer jeden Verordnung des betroffenen Arzneimittels in all seinen Anwendungsbereichen geschlossen werden.

5. Grundsätzlich darf der GBA gem § 92 Abs 1 S 1 SGB V anlässlich der Nutzenbewertung die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels in Indikationen einschränken, für die kein Zusatznutzen erkennbar ist; so kann er die Bildung eines nutzengerechten Erstattungsbetrages ermöglichen.

6.

a) Bei einem Arzneimittel, das einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie aufweist, ist der Erstattungsbetrag durch einen Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie zu vereinbaren.

b) Dieser - Zuschlag - darf umso höher ausfallen, je höher der Zusatznutzen vom GBA auf der Grundlage von § 5 Abs 7 der AM-NutzenV taxiert wurde (erheblich, beträchtlich, gering).

c) Die Bildung dieses Zuschlages in einem Schiedsspruch nach § 130b Abs 4 SGB V muss transparent und für das Gericht nachvollziehbar sein.

7. Im Lichte des vom Gesetzgeber im AMNOG zentral betonten Nutzenaspekts begegnet es rechtlichen Bedenken, die Abgabepreise in anderen Ländern und die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel mit einem Gewicht von insgesamt 50 Prozent in die Preisbildung einfließen zu lassen.

 

Orientierungssatz

Ein nach § 130b Abs 4 SGB 5 ergangener Schiedsspruch unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit.

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage L 9 KR 213/16 KL gegen den Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom 6. April 2016 wird angeordnet.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu 1) zu je ½. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 16.600,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller, der GKV Spitzenverband, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Schiedsspruch der Antragsgegnerin, der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V).

Die Beigeladene zu 1. (GSK) brachte als pharmazeutische Unternehmerin am 1. Oktober 2014 das GLP-1-Analogon Eperzan® (Wirkstoff: Albiglutid, 30 mg bzw. 50 mg Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung; einmal wöchentlich zu injizieren) in Deutschland in den Verkehr. Eperzan® verfügt seit März 2014 über eine europaweite arzneimittelrechtliche Zulassung für folgende Anwendungsgebiete (vgl. Fachinformation mit Stand Dezember 2014):

Eperzan ist bei erwachsenen Patienten mit Typ 2 Diabetes zur Verbesserung der Blutzuckereinstellung indiziert als:

Monotherapie

Wenn Diät und Bewegung allein zur Blutzuckereinstellung nicht ausreichen bei Patienten, für die die Anwendung von Metformin aufgrund von Kontraindikationen oder Unverträglichkeit als ungeeignet angesehen wird.

Kombinationstherapie

In Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln einschließlich Basalinsulin, wenn diese zusammen mit Diät und Bewegung den Blutzucker nicht ausreichend senken.

Durch Beschluss vom 19. März 2015, in Bezug auf die Patientenzahl geändert durch Beschluss vom 16. Juli 2015, hat der Beigeladene zu 2., der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), auf der Grundlage von § 35a SGB V den Nutzen des Wirkstoffs Albiglutid bewer...

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