Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Beitragserlassstreitigkeit. Rechtmäßigkeit der Einheitlichen Grundsätze zur Beseitigung finanzieller Überforderung bei Beitragsschulden
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Gewährung von PKH in einem Streit über einen Beitragserlass.
2. Zur Rechtmäßigkeit der Einheitlichen Grundsätze zur Beseitigung finanzieller Überforderung bei Beitragsschulden.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 06. Juli 2015 geändert.
Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 166 KR 493/14 vor dem Sozialgericht Berlin unter Beiordnung ihres o.g. Verfahrensbevollmächtigten ohne Festsetzung von Ratenzahlungen gewährt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 06. Juli 2015, mit dem dieses die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die auf den Erlass von Beitragsforderungen für die Zeiträume 01. Mai 2013 bis zum 31. Juli 2013 sowie für den 01. September 2013 bis zum 31. Dezember 2013 gerichtete Klage abgelehnt hat, ist gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowie §§ 172 und 173 SGG zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin. Ihre Rechtsverfolgung bietet eine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe in sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der ZPO entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO). Dabei hat das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes zu beurteilen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) soll die Prüfung der Erfolgsaussicht im Rahmen des § 114 ZPO nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern. Dieses darf nicht an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz fordert, nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2008, 1 BvR 1807/07, zitiert nach juris, sowie BVerfGE 81, 347,357). Im Hinblick auf die fehlende Aussicht einer Klage auf Erfolg darf Prozesskostenhilfe nur verweigert werden, wenn die Klage (bei summarischer Prüfung) völlig aussichtslos ist oder ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05; LSG Berlin-Brandenburg, 1. Senat, Beschluss vom 10. März 2006, L 1 B 1150/05 KR PKH, jeweils zitiert nach juris).
Steht eine höchstrichterliche Klärung von im Hauptsacheverfahren noch entscheidungserheblichen Fragen aus oder kommt eine weitere Aufklärung des Sachverhalts oder eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Aufklärungsbemühungen oder die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers ausgehen würden, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2008, 1 BvR 1807/07, zitiert nach juris).
Danach war hier Prozesskostenhilfe zu gewähren. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht stand unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze eine fehlende Erfolgsaussicht der Klage nicht entgegen.
1.) Nach dem Wortlaut des § 256a Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) kommt für den Zeitraum vom 01. Mai 2013 bis zum 31. Juli 2013 ein Erlass der gegen die Klägerin gerichteten Beitragsforderungen durchaus in Betracht. Nach § 256a Abs. 2 SGB V soll die Krankenkasse den für die Zeit seit dem Eintritt der Versicherungspflicht nachzuzahlenden Beitrag und die darauf entfallenden Säumniszuschläge nach § 24 des Vierten Buches erlassen, wenn die Anzeige des Vorliegens der Voraussetzungen der Versicherungspflicht bis zum 31. Dezember 2013 erfolgt. Satz 1 gilt für bis zum 31. Juli 2013 erfolgte Anzeigen der Versicherungspflicht nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 für noch ausstehende Beiträge und Säumniszuschläge entsprechend.
Ob die Beklagte in Übereinstimmung mit § 256a SGB V den Erlass schon deshalb nach § 2 Abs. 1 der Einheitlichen Grundsätze zur Beseitigung finanzieller Überforderung bei...