Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Gewährung von Medikamentengabe als häusliche Krankenpflege. Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung der Behindertenhilfe. Unzulässigkeit der eventualen subjektiven Antragshäufung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gewährung von Medikamentengabe als häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs 2 S 1 SGB 5 ist ausgeschlossen, wenn und soweit der Versicherte einen Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung der Behindertenhilfe hat.
2. Die eventuale subjektive Antragshäufung ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren unzulässig.
Tenor
1.) Die Verfahren L 9 KR 23/10 B ER und L 9 KR 26/10 B PKH werden unter dem erstgenannten Aktenzeichen verbunden.
2.) Das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Spandau von Berlin Abt. Soziales und Gesundheit - Sozialamt/Rechtsstelle -, Galenstraße 14, 13578 Berlin, wird zu dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren beigeladen.
3.) Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht ohne Festsetzung von Ratenzahlungen unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten Dr. N gewährt; die Entscheidung über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe in dem Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. Januar 2010 wird aufgehoben.
4.) Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. Januar 2010 geändert. Die Antragsgegnerin zu 1) wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin häusliche Krankenpflege durch einmal tägliche Insulingaben und Blutzuckermessungen an jedem zweiten Tag der Woche für drei Monate, längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts zurückgewiesen.
5.) Die Antragsgegnerin zu 1) hat der Antragstellerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
1.) Der Senat hat das die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes betreffende, unter dem Aktenzeichen L 9 KR 23/10 B ER registrierte Beschwerdeverfahren mit dem unter dem Aktenzeichen L 9 KR 26/10 B PKH registrierten, die Versagung von Prozesskostenhilfe betreffenden Beschwerdeverfahren gemäß § 113 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verbunden, um eine schnelle und widerspruchfreie Entscheidung über beide Streitgegenstände in einheitlicher Besetzung zu gewährleisten.
2.) Der Senat hat das Land Berlin als Sozialhilfeträger zu dem vorliegenden Verfahren gemäß § 75 Abs. 1 SGG beigeladen, um eine auch dem Sozialhilfeträger gegenüber rechtskräftige Entscheidung über den von der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 1) geltend gemachten krankenversicherungsrechtlichen Anspruch auf Bewilligung häuslicher Krankenpflege treffen zu können. Dies war durch die von der Antragstellerin betriebene hilfsweise Inanspruchnahme des Antragsgegners zu 2)/Beigeladenen zur Erlangung dieser Leistung nicht gewährleistet, weil dieses prozessuale Vorgehen unzulässig ist, wie noch zu zeigen sein wird. Die Gewährung rechtlichen Gehörs für diese Entscheidung war entbehrlich, weil der Antragsgegner zu 2)/Beigeladene sich als “Eventualantragsgegner„ zur Sache bereits äußern konnte und hiervon ausführlich Gebrauch gemacht hat, während diese Entscheidung für die anderen Beteiligten ausschließlich rechtlich vorteilhaft ist.
3.) Der Antragstellerin war gemäß § 73a SGG i. V. m. §§ 114 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe ohne Festsetzung von Ratenzahlung unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten zu gewähren. Für die zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht “die reale Chance zum Obsiegen„. Prozesskostenhilfe darf also nur verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber fern liegend ist, denn das Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4) gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. zuletzt Kammerbeschluss vom 22. Juni 2007, 1 BvR 681/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 8; außerdem Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347). Im vorliegenden Verfahren sind schwierige, höchstrichterlich ungeklärte, von zwei Landessozialgerichten zuvor unterschiedlich beantwortete Rechtsfragen zu klären; bei dieser Sachlage bestand zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrages auf Prozesskostenhilfe eine reale Chance zum Obsiegen, so dass auch ein Bemittelter sich anwaltlichen Beistandes bedient hätte; der bedürftigen Antragstellerin war deshalb Prozesskostenhilfe für beide Instanzen zu bewilligen und der dieses Begehren für die erste Instanz ablehnenden Beschluss insoweit aufzuheben.
4.) Im Übrigen ist die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. Januar 2010 gemäß §§ 172, 173 SGG zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor e...