Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem nach 1936 geborenen DDR-Übersiedler. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung des § 259a SGB 6
Leitsatz (amtlich)
1. § 259a SGB VI greift für alle Versicherten aus der DDR, die am 18.5.1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den alten Bundesländern hatten. Eine weitergehende Differenzierung dieses Personenkreises nach Datum der Ausreise aus der DDR ist nicht möglich.
2. Es spricht viel dafür, dass § 259a SGB VI für ungleiche Gruppen gleichheitswidrig gleiche Rechtsfolgen normiert. Zwischen der Gruppe derjenigen, die aus der ehemaligen DDR bereits bis zum 18.10.1989 ausgereist sind, und der Gruppe, die danach bis zum 18.5.1990 in das Gebiet der Bundesrepublik gelangt sind, bestehen erhebliche Unterschiede.
Orientierungssatz
Der 18.10.1989 stellt auch verfassungsrechtlich ein vertretbares Anknüpfungsdatum für die Trennung des weniger schützenswerten von dem stärker schützenswerten Vertrauen der aus der DDR stammenden Menschen in den Bestand erworbener Rechtspositionen dar (vgl BVerfG vom 23.11.1999 - 1 BvF 1/94 = BVerfGE 101, 239).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. November 2021 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung rentenrechtlicher Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG).
Der am 1952 geborene Kläger ist in der DDR geboren und am 21. Februar 1989 in die Bundesrepublik Deutschland geflüchtet. Mit Bescheid vom 13. Juni 1989 erkannte die ehemalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) als Rechtsvorgängerin der Beklagten gegenüber dem Kläger rentenrechtliche Zeiten nach dem FRG von Juli 1970 bis Februar 1989 als Beitragszeiten ohne Kürzung an.
Mit Bescheid vom 18. August 2004 bewertete die BfA die rentenrechtlichen Zeiten von Juli 1970 bis Februar 1989 nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung - Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1606) neu und ermittelte für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet Entgeltpunkte nach § 256a Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Der Bescheid vom 13. Juni 1989 über die Feststellung dieser Zeiten wurde nach § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI aufgehoben, soweit er nicht dem nun geltenden Recht entsprach. Der Bescheid wurde vom Kläger nicht angegriffen.
Am 16. Oktober 2017 beantragte der Kläger die Gewährung einer Regelaltersrente ab dem 1. Januar 2018. Mit Bescheid vom 13. Februar 2018 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Regelaltersrente ab dem 1. Januar 2018 in Höhe von monatlich 633,49 Euro (Zahlbetrag nach Abzug Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag: 564,13 Euro). Die Zeiten von Juli 1970 bis Juni 1974 berücksichtigte sie als Zeiten einer Schul- und Hochschulausbildung und damit als Anrechnungszeiten und die Zeiten von September 1974 bis März 1989 als Pflichtversicherungszeiten im Beitrittsgebiet. Rentenrechtliche Zeiten nach dem FRG berücksichtigte die Beklagte nicht.
Am 13. März 2018 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid ein. Er führte zur Begründung aus, ihm seien als Flüchtling aus der ehemaligen DDR mit Bescheid der BfA vom 13. Juni 1989 die Anerkennung erworbener Rentenansprüche nach dem FRG bestätigt worden. Er habe auf den Fortbestand dieser Entscheidung vertraut. Ein Bescheid vom 18. August 2004 sei ihm nicht bekannt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Bewertung der vor dem 19. Mai 1990 im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach dem FRG erfolge nur noch für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1997 (ersichtlich gemeint: 1. Januar 1937) geboren seien und am 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt hätten. Da der Kläger aufgrund seines Geburtsjahrganges nicht dem genannten Personenkreis angehöre, sei der Bescheid vom 13. Juni 1989 mit Bescheid vom 18. August 2004 über die Anerkennung von Zeiten nach dem FRG aufgehoben worden.
Am 23. Juli 2018 hat der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Potsdam erhoben. Er sei vor dem im Widerspruchsbescheid angegebenen Datum vom 1. Januar 1997 geboren und sei seit dem 17. Februar 1989 in der Bundesrepublik gemeldet gewesen und habe auch dort gewohnt. Er berufe sich auf Vertrauensschutz.
Mit Urteil vom 18. November 2021 hat das Sozialgericht Potsdam die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger könne sich nicht auf die Bindungswirkung des Feststellungsbescheides der ehemaligen BfA vom 13. Juni 1989 berufen, weil dieser durch die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der BfA mit Vormerkungsbescheid vom 18. August 2004 auf der Grundlage der Bestimmungen von Art. 38 Satz 1 und 2 RÜG beseitigt worden sei. Die Beklagte habe auch zu Recht die Bewertung der im Beitrittsgebiet durch den Kläger zurückgelegten Zeiten nach §§ 256...