Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Anwendung von § 256a SGB 5 auf Beitragsschulden, die nach Erfassung und Feststellung der Auffang-Versicherungspflicht entstanden sind
Leitsatz (amtlich)
Die Regelung über den Beitragserlass in § 256a SGB 5 gilt nicht für Beitragsrückstände, die erst nach Erfassung und Feststellung der Auffang-Pflichtversicherung (§ 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5) entstanden sind.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. April 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt den Erlass von Beitragsschulden.
Vom 1. April 2007 bis zum 24. April 2008 war die Klägerin auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) bei der Beklagten krankenversichert. Im Mai 2010 zeigte die Klägerin der Beklagten an, seit dem 1. April 2009 nicht krankenversichert zu sein. Hierauf behandelte die Beklagte die Klägerin als seit 1. April 2009 (und bis 31. Januar 2014) auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V pflichtversichert. Beitragsforderungen für die Zeiträume 1. April 2007 bis 24. April 2008 und 1. April 2009 bis 30. Juni 2010 schlug die Beklagte im Juli 2010 nieder.
Seit dem 1. Februar 2014 ist die Klägerin bei der BKK VBU krankenversichert.
Mit Schreiben vom 8. November 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten den Erlass von Beitragsschulden für den Zeitraum vom 1. Juli 2010 bis zum 31. Oktober 2013 auf der Grundlage von § 256 a SGB V. Zugleich zeigte sie den Eintritt einer Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB XI bei der Beklagten an.
Nachdem die Beklagte hierauf zunächst nicht reagiert hatte, erhob die Klägerin am 29. November 2013 Klage bei dem Sozialgericht Berlin, mit der sie die Verpflichtung der Beklagten begehrt, offene Beitragsschulden umgehend zu erlassen. Sie müsse in den Genuss der Regelung in § 256 a SGB V kommen. Demjenigen, der sich - wie sie - bis zum 31. Dezember 2013 bei der Krankenkasse gemeldet habe, seien die Beiträge zu erlassen. Sie habe keinerlei Leistungen von der Beklagten erhalten und mehrere andere Gläubiger, denen sie Geld schulde, die ihr wirklich geholfen hätten. Dass sie irgendwann zu Geld komme, sei unwahrscheinlich.
Die Beklagte hat erklärt, die Klage sei wegen fehlender Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig. Die Anzeige der Klägerin zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V vom 8. November 2013 könne keine Wirkung entfalten, weil zu diesem Zeitpunkt bereits eine solche Krankenversicherung für sie bestanden habe. Für den Zeitraum 1. Juli 2010 bis 30. September 2013 beliefen sich die offenen Beitragsforderungen auf 5.777,01 Euro, für den Zeitraum vom 1. November 2013 bis zum 31. Januar 2014 auf 467,55 Euro, mithin insgesamt auf 6.244,56 Euro, ohne Berücksichtigung von Säumniszuschlägen bzw. Mahngebühren.
Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 lehnte die Beklagte den von der Klägerin beantragten Beitragserlass für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 31. Januar 2014 nach § 256 a Abs. 2 SGB V ab. Am 19. Juli 2010 habe die Klägerin eine Einstufung über die Beitragshöhe ab 1. Juli 2010 erhalten. Der persönliche Nacherhebungszeitraum der Klägerin betreffe die Zeit vor dieser Einstufung vom 1. April 2009 bis zum 30. Juni 2010; die offenen Beiträge für diesen Zeitraum seien bereits im Jahre 2010 erlassen worden, weshalb ein Erlass für alle laufenden Beiträge ab dem Beitragsmonat Juli 2010 ausgeschlossen sei. Dieser Bescheid enthielt einen Hinweis auf die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. April 2014 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Soweit das Klagebegehren dahingehend zu verstehen sei, dass die Beklage im Sinne einer Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG dazu habe verpflichtet werden sollen, über den Antrag auf Beitragserlass vom 08. November 2013 zu entscheiden, habe die Klage keine Erfolg, denn die Beklagte habe mit dem Bescheid vom 27. Februar 2014 über diesen Antrag entschieden. Anders als die Klägerin meine, trete ein Beitragserlass auch nicht automatisch ein, sondern erfordere eine Verwaltungsentscheidung der Krankenkasse. Diese sei nun erfolgt, hiergegen sei ggfs. Widerspruch einzulegen. An der Durchführung des Vorverfahrens fehle es. Soweit das Klagebegehren dahingehend zu verstehen sei, dass die Beklagte rechtswidrig gehandelt habe, sei die Klage unzulässig, denn ein Feststellungsinteresse für diesen Antrag sei nicht ersichtlich.
Gegen den ihr am 6. Mai 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 4. Juni 2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an, die Beklagte und auch das Sozialgericht hätten das “Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung„ zu ihren Lasten ignoriert. Sie fühle sich in ihren Grundrechten verletzt, insbesondere in ihrem Recht auf Gleichbehandlung sowie in ihrem Recht auf Gehör und daraus folg...