Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenberechnung. Pflichtbeitragszeiten für Grundwehrdienst im Beitrittsgebiet. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Die Werte für Pflichtbeitragszeiten "Wehrdienst", der in den neuen Bundesländern abgeleistet wurde, richten sich nach der Bezugsgröße des § 18 Abs 1 SGB 4. Die aus diesen Werten zu ermittelnden Entgelte sind mit den Werten der Anl 10 des SGB 6 (Werte zur Umrechnung der Beitragsbemessungsgrundlagen des Beitrittsgebiets) zu multiplizieren, bevor sie durch die Werte für die entsprechenden Durchschnittsentgelte der Anl 1 des SGB 6 zu dividieren sind.
2. Die anzuwendenden Sonderbewertungsvorschriften "Ost" bei der Rentenberechnung sind verfassungsgemäß.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 11. April 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 21. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2008 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 08. Mai 2006 teilweise zurückzunehmen und die Rente des Klägers für die Zeit ab 01. Juni 2004 neu festzustellen unter Zugrundelegung der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch bei der Ermittlung des für die Beitragszeiten des Klägers zu berücksichtigenden Entgelts sowie unter Vervielfältigung dieses Entgelts mit den Werten der Anlage 10 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch für die Berechnung der Entgeltpunkte für die Beitragszeiten des Klägers und ihm ab 01. Juni 2004 die daraus resultierende höhere Rente und die gesetzlichen Verzugszinsen zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Wege der Neufeststellung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) höhere Rente. Er meint insbesondere, dass die als Pflichtbeitragszeit anerkannte Zeit seines Grundwehrdienstes nicht nach den übergangsrechtlichen Sonderbewertungsvorschriften “Ost„ (§§ 254 d, 256 a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) zu bewerten sei, sondern unter Zugrundelegung von Entgeltpunkten (EP) anstelle von EP (Ost) und des aktuellen Rentenwerts anstelle des aktuellen Rentenwerts (Ost).
Der 1976 geborene Kläger leistete nach Beendigung seiner im Beitrittsgebiet erfolgten Schulausbildung in der Zeit vom 02. Oktober 1995 bis zum 30. September 1996 auch seinen Grundwehrdienst im Beitrittsgebiet (1. Panzergrenadierbataillon 421 in Brandenburg/Havel).
In Ausführung eines Anerkenntnisses der Beklagten in einem Rechtsstreit mit dem Kläger vor dem Sozialgericht Potsdam (Az.: S 14 R 573/05) gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 08. Mai 2006 (Dauer-)Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 01. Juni 2004 (Antragsmonat) wegen eines Leistungsfalls vom 01. Oktober 2001. Den monatlichen (Brutto-) Betrag der Rente setzte sie für die Zeit ab 01. Juni 2004 auf 590,41 Euro fest unter Berücksichtigung von 28,8157 EP (Ost) - nach Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 0,892 noch 25,7036 EP (Ost) - und eines monatlichen aktuellen Rentenwert (Ost) von 22,97 Euro. Ausweislich des Versicherungsverlaufs im Rentenbescheid (Anlage 2 Seite 1) lagen der Berechnung der Rente - neben 28,0480 EP (Ost) für beitragsfreie Zeiten - als einzige Pflichtbeitragszeiten 12 Monate Wehrdienst (02. September 1995 bis zum 30. September 1996) mit einem Entgelt von insgesamt 39 480,00 DM, aus denen 0,7677 errechnet sind, zugrunde.
Mit Schreiben vom 22. und 25. August 2006 und 12. Dezember 2006 forderte der Kläger von der Beklagten die Neuberechnung seiner Rente. Er wehre sich gegen die Kürzung der Rente aufgrund der Tatsache, dass diese vor dem 63. Lebensjahr in Anspruch genommen worden sei. Dies sei nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) im Verfahren mit dem Az.: B 4 RA 22/05 R unzulässig.
Am 26. Februar 2007 ging bei der Beklagten ein vom Kläger als “Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X„ überschriebenes Schreiben ein, in dem dieser eine Neuberechnung seiner Rente nach “Westpunkten„ und Nachzahlung seit dem 01. Juni 2004 nebst Zinsen forderte.
Mit Bescheid vom 21. März 2007 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 08. Mai 2006 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Berechnung den gesetzlichen Vorschriften entspreche. Soweit der Kläger bemängele, dass die Zuordnung der EP als EP (Ost) verfassungswidrig sei, sei der Rentenversicherungsträger an die geltenden Gesetze gebunden.
Mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. März 2007 trug der Kläger vor, dass er seine Rentenansprüche vollständig nach der Wiedervereinigung erworben habe, somit keine “Ostrente„ zu zahlen sei. So viele Jahre nach der Wiedervereinigung dürfe eine Differenzierung in “Ost- und Westpunkte„ nicht mehr zulässig sein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 21.März 2007 zurück: Im Widerspruch werde eine Neufeststellung der Rente unter ausschließlicher Berücksichtigung von EP West bege...