Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe. arbeitsvertragswidriges Verhalten. Anlass für eine verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung. Entziehung der Fahrerlaubnis eines Berufskraftfahrers. grob fahrlässige Herbeiführung der Arbeitslosigkeit. Überziehung des Punktekontos beim Verkehrszentralregister. Anmeldung zum Punkteabbauseminar. nicht rechtskräftiger Bußgeldbescheid

 

Orientierungssatz

1. Das Vorhandensein einer Fahrerlaubnis zur Erfüllung der vertraglichen Arbeitspflicht ist Geschäftsgrundlage eines Arbeitsvertrages bei Berufskraftfahrern.

2. Wird die Fahrerlaubnis eines Berufskraftfahrers wegen Überschreitung der Schwelle von Punkten im Verkehrszentralregister entzogen, muss für den Arbeitslosen bei einfachster Betrachtung erkennbar sein, dass bei einem weiteren Verkehrsverstoß, der mit einem Punkt geahndet wird, der Verlust der Fahrerlaubnis und infolgedessen auch des Arbeitsplatzes droht, so dass sein arbeitsvertragswidriges Verhalten als grob fahrlässig im Hinblick auf die Herbeiführung seiner Arbeitslosigkeit ist.

3. Die Arbeitslosigkeit gilt auch dann gem § 159 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3 als grob fahrlässig herbeigeführt, wenn eine rechtskräftige Entscheidung über eine Verkehrsordnungswidrigkeit noch ausstand und sich der Arbeitnehmer zu einem Punkteabbauseminar angemeldet hat.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.05.2020; Aktenzeichen B 11 AL 12/20 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 08.08.2018 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sperrzeit im Bezug von Arbeitslosengeld.

Der Kläger war seit dem 01.07.2015 bei der Speditionsfirma F. G. GmbH mit Sitz in W. als Fahrer beschäftigt. Mit Schreiben vom 12.12.2017 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos, nachdem dem Kläger wegen Überschreitens der maßgeblichen Punktegrenze im Verkehrszentralregister Flensburg von der Führerscheinstelle des Landkreises M.-B-Stadt die Fahrerlaubnis entzogen worden war.

Am 13.12.2017 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum selben Tag arbeitslos und stellte einen Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld. Bei der Abgabe des ausgefüllten Antragsformulars am 04.01.2018 gab er an, seit 04.01.2018 bis 26.01.2018 arbeitsunfähig krankgeschrieben zu sein.

Mit Bescheid vom 04.01.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass in der Zeit vom 13.12.2017 bis 06.03.2018 eine Sperrzeit von 12 Wochen eingetreten sei. Der Kläger habe seine Beschäftigung bei der Fa. G. verloren, weil er seinen Führerschein entzogen bekommen habe. Da davon auszugehen gewesen sei, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten nicht dulden werde, sei der Verlust des Arbeitsplatzes leicht abzusehen gewesen.

Mit Bewilligungsbescheid vom 08.01.2018 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 13.12.2017 für 360 Kalendertage bewilligt, wobei der tägliche Leistungsbetrag für die Zeit vom 13.12.2017 bis 18.12.2017 wegen einer zu berücksichtigenden Urlaubsabgeltung (§ 157 Abs. 2 SGB III) auf 0,00 € festgesetzt wurde; wegen der festgestellten Sperrzeit wurde der tägliche Leistungsbetrag für die Zeit vom 13.12.2017 bis 06.03.2018 ebenso auf 0,00 € festgesetzt. Ab dem 07.03.2018 wurde der tägliche Leistungsbetrag auf 33,29 € festgesetzt.

Gegen den Bescheid vom 04.01.2018 legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, er habe seinen Führerschein nicht leichtfertig verloren. Der Entzug sei durch die Führerscheinstelle beim Landkreis M.-B-Stadt aufgrund der angesammelten Punkte nach dem Bußgeldkatalog erfolgt. Insgesamt hätten sich 8 X 1 Punkt nach dem Bußgeldkatalog in dem Zeitraum vom 28.01.2015 bis 08.07.2017 angesammelt. Hierbei sei allerdings zu berücksichtigen, dass der Kläger als Berufskraftfahrer jährlich mehr als 100.000 km berufsbedingt fahre. Auch habe er sich bei der Fahrschule H. in N. zu einem Seminar zwecks Punkteabbau angemeldet gehabt. Bevor dieses Seminar abgeschlossen gewesen sei, sei wegen einer geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitung von 23 km/h ein weiterer Punkt hinzugekommen, welcher zu dem Ergebnis geführt habe, dass der Punktestand 8 Punkte ergeben habe. Aufgrund dieses Punktestandes sei dem Kläger von der Führerscheinstelle die Fahrerlaubnis entzogen worden.

Mit Bescheid vom 15.02.2018 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 15.02.2018 wegen des Endes der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall, gestützt auf §§ 137 Abs. 1,138 i.V.m. 146 SGB III und § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III, auf.

Der gegen den Bescheid vom 04.01.2018 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2018 als unbegründet zurückgewiesen.

In den Gründen des Widerspruchsbescheides wurde u.a. ausgeführt, wie von dem Kläger dargelegt worden sei, habe sich dieser seit 2015 immer wieder straßenverkehrsregelwidrig verhalten. Ihm müsse bewusst gewesen sein, dass er mit erneutem Fe...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge