Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherungspflicht einer nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson. Ermittlung der Mindeststundenzahl einschließlich ergänzender Pflege und Betreuung
Orientierungssatz
Nach Auffassung des Senates ist bei der für die Rentenversicherungspflicht von Pflegepersonen vorausgesetzten Pflege von wöchentlich mindestens 14 Stunden nicht nur (wie bei der Zuordnung zu bestimmten Pflegestufen) der Zeitaufwand für Hilfen bei den gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens iS von § 14 Abs 1 und 4 SGB 11 (Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung ) zu berücksichtigen (vgl BSG vom 19.2.1998 - B 3 P 3/97 R = BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2), sondern auch der Zeitaufwand für die ebenfalls geleistete "ergänzende" Pflege und Betreuung iS des § 4 Abs 2 S 1 SGB 11.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. September 2005 (S 10 RA 390/03) wird geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, bei ihren rentenrechtlichen Entscheidungen gegenüber der Klägerin eine Versicherungspflicht als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson für die Zeit vom 4. Juni 1999 bis 31. März 2001 zugrunde zu legen.
Die Bescheide der Beklagten vom 25. Juni 2001, 14. August 2002 und 27. Mai 2003 (Widerspruchsbescheid) werden aufgehoben, soweit sie entgegenstehen.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Hintergrund des Rechtsstreites ist die Frage, ob die Klägerin aufgrund einer Tätigkeit als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson im Sinne von § 3 Satz 1 Nr. 1 a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGBVI) eine höhere Altersrente soll beanspruchen können.
Die Beklagte bewilligte der im XXXXX 1941 geborenen Klägerin mit Rentenbescheid vom 25. September 2001 Altersrente für Frauen, beginnend am 1. Oktober 2001. Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend, es sei nicht berücksichtigt worden, dass sie in der Zeit vom 4. Juni 1999 bis Ende März 2001 ihre Mutter, die im Jahre 1915 geborene E. B., gepflegt habe, für welche damals die Pflegestufe I anerkannt gewesen sei. Diesen Widerspruch beschied die Beklagte zunächst nicht.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2002 teilte die beigeladene Pflegekasse der Beklagten mit, dass sie für die Klägerin keine Beiträge zur Rentenversicherung zahlen werde, da der Umfang von deren Pflegetätigkeit unter 14 Stunden in der Woche gelegen habe (§ 19 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI). Mit Bescheid vom 14. August 2002 teilte die Beklagte daraufhin der Klägerin mit, ihrem Antrag auf Anerkennung von Zeiten der Pflege vom 4. Juni 1999 bis 31. März 2001 könne nicht entsprochen werden, da Rentenversicherungspflicht gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI nicht bestanden habe. Die Pflege der Mutter habe weniger als 14 Stunden wöchentlich umfasst; ein höherer Pflegeaufwand als der vom medizinischen Dienst der Kasse im Rahmen der Prüfung nach § 18 SGB XI ermittelte könne nicht berücksichtigt werden. In der Folgezeit gab es Korrespondenz zwischen der Klägerin und der Beklagten, in welcher die Klägerin geltend machte, ihre Mutter mehr als 14 Stunden wöchentlich gepflegt zu haben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2003 wies die Beklagte - so ausdrücklich - den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 14. August 2002 zurück: Die Voraussetzungen der Versicherungspflicht lägen nicht vor, weil nach den Feststellungen der Pflegekasse der von der Klägerin ausgeübte Umfang der Pflegetätigkeit unter 14 Stunden in der Woche gelegen habe. Der Pflegekasse obliege die Feststellung der maßgebenden Tatbestandsvoraussetzungen zum zeitlichen Umfang der Pflegetätigkeit (§ 19 Satz 2, § 44 Abs. 1 Satz 3 SGB XI).
Der Widerspruchsbescheid ist der Klägerin nach ihren unwidersprochenen Angaben am 2. Juni 2003 zugegangen. Am 2. Juli 2003 hat sie vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihre Mutter sei durch Bescheid der Beigeladenen vom 10. August 1999 in die Pflegestufe I eingeordnet worden. Zwar habe der medizinische Dienst der Krankenversicherung in seinem Gutachten vom 19. Juli 1999 einen wöchentlichen Pflegebedarf von weniger als 14 Stunden errechnet. Das Gutachten gebe den von ihr, der Klägerin, für die Pflege der Mutter aufzubringenden Aufwand jedoch nicht zutreffend wieder. Tatsächlich habe der Aufwand 14 Wochenstunden ganz erheblich überschritten; bereits im Juni 2000 habe ein Pflegedienst die Pflegestufe I als nicht mehr ausreichend bezeichnet. Sie habe ihre Mutter seit 1997 gepflegt, ab 1. Juli 1999 sei sie dreimal täglich in deren Wohnung gewesen. Ihre Tätigkeit habe am Morgen damit begonnen, die beiden Kohleöfen anzuheizen (das Haus sei feucht und zugig gewesen und habe daher auch im Hochsommer beheizt werden müssen). Anschließend habe sie Tee gekocht und der Mutter das Frühstück bereitet sowie das Wasser für...