Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme. Zumutbarkeit der Teilnahme an einem Bewerbungstraining. Fehlen eines wichtigen Grundes

 

Orientierungssatz

Ein wichtiger Grund iS von § 159 Abs 1 S 1 iVm S 2 Nr 4 SGB 3 für die Weigerung an einem Bewerbungstraining teilzunehmen liegt auch dann nicht vor, wenn der Arbeitslose sich in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Fällen erfolgreich mit selbst verfassten Bewerbungsschreiben auf angebotene Arbeitsstellen beworben und bereits seit längerem in Beschäftigungsverhältnissen gestanden hat.

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Sperrzeitfeststellung.

Die am xxxxx 1980 geborene Klägerin hat zwischen 2007 und 2011 ein Sprachenstudium in E. absolviert (Deutsch, Englisch, Französisch) und durchlief an der Universität W. von März 2015 bis Mai 2017 eine Ausbildung am Zentrum für Translationswissenschaften. In der Zeit vom 5. September 2017 bis 31. März 2019 war sie als „Members Relations Agent“ (Bodenstewardess) bei der „C. GmbH“ bei einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 2.600 Euro beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis endete durch betriebsbedingte Kündigung ihrer Arbeitgeberin. Mit Änderungsbescheid vom 13. Mai 2019 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 1. April bis 30. November 2019 (240 Tage) in Höhe von täglich 36,92 Euro. Mit Bescheid vom 5. Juli 2019 wies die Beklagte die Klägerin einer Maßnahme zur beruflichen Eingliederung bei der Fa. „M. GmbH“, H. zu. Die auf arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Akademiker zugeschnittene Maßnahme „zur Unterstützung der Vermittlung mit ganzheitlichem Ansatz“ sollte am 15. Juli 2019 beginnen, auf die Rechtsfolgen einer Ablehnung der Maßnahme ohne wichtigen Grund wurde hingewiesen.

Die Klägerin trat die Maßnahme nicht an und sandte an die Beklagte am 15. Juli 2019 eine Email, in der sie als Grund für die Abwesenheit auf ein Attest Bezug nahm, wonach sie am 15. Juli 2019 von 10.00 Uhr bis 11.00 Uhr in der psychiatrischen Praxis des Psychiaters A.D. zur Behandlung gewesen sei. Außerdem fügte sie eine Praktikumsbescheinigung der S. GmbH bei, bei der der Klägerin vom 1. August bis zum 30. November 2019 ein Langzeitpraktikum angeboten worden war. Die Klägerin bat die Beklagte, sich dieser Maßnahme anzunehmen, da sie „von diesem Praktikum hinsichtlich ihrer Fähigkeiten profitieren werde“.

Mit Bescheiden vom 5. und 11. September 2019 stellte die Beklagte für die Zeit vom 16. Juli 2019 bis 5. August 2019 (drei Wochen) eine Sperrzeit fest und forderte das für die Zeit vom 16. bis 31. Juli 2019 gezahlte Alg in Höhe von 555,80 Euro von der Klägerin zurück, da die Klägerin trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an der ab dem 15. Juli 2019 zugewiesenen Maßnahme nicht teilgenommen habe.

Die Klägerin legte gegen die Bescheide am 20./24. September 2019 Widerspruch ein. Sie habe die Eingliederungsmaßnahme aus gutem Grund abgelehnt. Wie man Bewerbungen schreibe, wisse sie. Zu anderen für sie relevanteren Maßnahmen sei sie bereit, sie habe sich selbst um ein sechswöchiges Praktikum bemüht. Die vorgeschlagene Maßnahme habe sie unter Beifügung eines ärztlichen Attests rechtzeitig abgesagt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen für die Verhängung einer Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme gemäß § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) hätten vorgelegen. Ein wichtiger Grund für die Weigerung der Klägerin sei nach objektiven Kriterien nicht erkennbar. Die Klägerin habe die Förderung vorher schriftlich zugesagt und erfahrungsgemäß werde die Wiedereingliederung nach derartigen Maßnahmen, bei denen es auch nicht nur um Bewerbungen gehe, verbessert. Durch die Sperrzeit mindere sich die Anspruchsdauer um 21 Tage.

Die Klägerin hat gegen diesen am 30. September 2019 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid am 15. Oktober 2019 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Ihr habe ein wichtiger Grund zur Seite gestanden, die Maßnahme nicht anzutreten. Sie habe

zeitlich mit einem Arzttermin kollidiert, wobei jeder wisse, wie schwierig es sei, Termine bei Psychotherapeuten zu bekommen. Außerdem habe sie sich selbst um eine geeignetere Maßnahme gekümmert.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Ein objektiv wichtiger Grund, die Maßnahme nicht anzutreten, habe für die Klägerin nicht bestanden. Trotz eines Arbeitnehmermarktes sei sie seit April 2019 beschäftigungslos gewesen. Eine Teilnahme an der Maßnahme hätte eine Vermittlung in Arbeit verbessern können. Die Klägerin könne nicht nach Belieben Alternativen für sich in Anspruch nehmen. Aus dem einstündigen Termin bei einem Psychologen folge kein wichtiger Grund, die Klägerin sei an einer Teilnahme an der Ma...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge