Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Nichterfüllung der Anwartschaftszeit. Versicherungspflicht bei der Erziehung von Zwillingskindern. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
1. Der dreijährige Zeitraum der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung bei Erziehung eines Kindes verlängert sich bei Mehrlingsgeburten nicht.
2. Es ergibt sich daher - auch unter Berücksichtigung höherrangigen Rechts - keine weitergehende Anwartschaft für Arbeitslosengeld bei der Erziehung von Zwillingen gegenüber der Erziehung eines Kindes.
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 6.8.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld; streitig ist dabei, ob die Anwartschaftszeit bei der Klägerin wegen der Erziehung von Zwillingen als erfüllt anzusehen ist.
Die 1968 geborene Klägerin war seit 1993 als Erzieherin beschäftigt. Am 1.11.2002 gebar sie Zwillinge. Im Anschluss befand sie sich bis zum 31.10.2008 in Erziehungsurlaub/Elternzeit. Nachdem sie durch Aufhebungsvertrag vom 17.10.2008 ihr bisheriges Arbeitsverhältnis zum 31.10.2008 aufgelöst hatte, meldete sich die Klägerin bei der Beklagten - Agentur für Arbeit Oldenburg - mit Wirkung zum 1.11.2008 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.1.2009 ab, weil die Klägerin die Anwartschaftszeit nicht erfülle: Sie habe innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren vor Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen (1.11.2006 - 31.10.2008) nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Das (letzte) Versicherungspflichtverhältnis während der Erziehung ihrer Kinder sei drei Jahre nach der Geburt, mithin am 31.10.2005, ausgelaufen und liege daher außerhalb der Rahmenfrist.
Hiergegen hat die Klägerin am 6.2.2009 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, die gesetzliche Regelung zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses bei Kindererziehung für die Dauer von drei Jahren (§ 26 Abs. 2a Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III) berücksichtige nur die Erziehung eines Kindes. Tatsächlich habe sie in derselben Zeit jedoch zwei Kinder erzogen. Die versicherungspflichtige Erziehungszeit sei deshalb entsprechend der (neueren) Regelungen zu Mehrlingsgeburten im Elternzeitrecht (früher: Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG; heute: Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG) zu verlängern. Die besonderen Herausforderungen, die bei Zwillingen in der Versorgung, Betreuung und Erziehung gegenüber Einlingen bestünden, seien auch insoweit zu berücksichtigen. Anderenfalls sei ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG) anzunehmen. Bei entsprechender Ausdehnung der Erziehungszeit erfülle sie die Anwartschaftszeit für das beantragte Arbeitslosengeld.
Die Beklagte ist der Klage aus den von ihr zuvor genannten Gründen entgegengetreten. Eine besondere Regelung der Versicherungspflicht für die Erziehung von Mehrlingen sei in der Arbeitslosenversicherung nicht vorgesehen. Deshalb finde auch eine Kumulierung mehrerer durch die Geburt eines jeden Kindes begründeter Dreijahreszeiträume nicht statt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz könne darin nicht gesehen werden; der Gesetzgeber habe im Rahmen gewährender Staatstätigkeit vielmehr eine besonders weite, hier nicht überschrittene Gestaltungsfreiheit. Würden Erziehungszeiten bei Mehrlingsgeburten kumuliert, käme es sogar zu einer Bevorzugung gegenüber Versicherten, die kurz hintereinander mehrere Kinder geboren hätten. Auch diese hätten eine "Überlappung" der verschiedenen Erziehungszeiten hinzunehmen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 6.8.2009 abgewiesen und sich zur Begründung den Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Beklagten angeschlossen. Ergänzend hat das SG auf sein Urteil vom 21.2.2008 (S 41 AL 274/07) verwiesen, wonach es - auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten - nicht zu beanstanden sei, dass der Gesetzgeber die Vergünstigungen des Elternzeitrechts nicht auch auf das SGB III übertragen habe. Das Elternzeitrecht einerseits und das SGB III anderseits verfolgten unterschiedliche Zielsetzungen: Es gehöre nicht zum Auftrag der Arbeitslosenversicherung, die Mühe bei der Betreuung von Kindern zu honorieren. Vielmehr sollten lediglich Nachteile im Versicherungsschutz durch bestimmte Unterbrechungen ausgeschlossen werden. Hierfür mache es keinen Unterschied, ob gleichzeitig Zwillinge oder Kinder verschiedenen Alters betreut würden. In jedem Fall sei nur eine Berücksichtigung bis zu deren drittem Lebensjahr möglich. Gerade eine andere Handhabung bei Zwillingen würde zu einer verfassungswidrigen Bevorzugung führen.
Gegen dieses ihr am 13.8.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am...