Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sanktion. Minderung des Auszahlungsanspruchs. Notwendigkeit einer Aufhebungsentscheidung. Minderung des Arbeitslosengeld II. Sanktionsbescheid. fehlende Aufhebung des Bewilligungsbescheides

 

Leitsatz (amtlich)

Auch nach Inkrafttreten der zum 1. April 2011 neu gefassten Vorschriften in §§ 31 ff. SGB II ist weiterhin eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X erforderlich ist, sofern eine Minderung der bereits erfolgten Leistungsbewilligung aufgrund einer Pflichtverletzung erfolgen soll.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 3. November 2014 wird geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Monat Oktober 2014 in Höhe von 475,40 € und für die Monate November und Dezember 2014 in Höhe von jeweils 710,00 € unter Anrechnung evtl. erbrachter Sachleistungen zu zahlen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Hälfte der notwendigen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

 

Gründe

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen vom 3. November 2014 ist teilweise begründet.

Das SG hat es zu Recht abgelehnt, gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung der am 24. Oktober 2014 erhobenen Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2014 anzuordnen. Jener Bescheid, mit dem der vollständige Wegfall des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2014 festgestellt worden ist, stellt sich nach derzeitigem Sach- und Streitstand als rechtmäßig dar, so dass nach den in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegten Maßstäben die aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen ist. Der Senat weist die Beschwerde insoweit aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses zurück und sieht gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 SGG von einer weiteren Begründung ab.

Die Beschwerde ist allerdings insoweit begründet, als der erstinstanzlich ausdrücklich gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Erfolg haben muss.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Er hat aus dem aktuellen Bewilligungsbescheid, welcher nach dem Vorschautext (Bl. 127 der Leistungsakte) vom 25. August 2014 datiert, einen Anspruch auf Auszahlung der ihm darin zugebilligten Leistungen, welche für die streitbefangenen Monate auf 475,40 € (Oktober 2014) bzw. 710,00 € (November und Dezember 2014) festgesetzt worden sind. Dieser Bescheid ist bislang nicht aufgehoben worden, obwohl dies für die Beseitigung seiner Bindungswirkung im Hinblick auf die festgestellte Sanktion erforderlich gewesen wäre. Der Senat schließt sich - abweichend von der erstinstanzlichen Entscheidung - der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur an, wonach auch nach Inkrafttreten der zum 1. April 2011 neu gefassten Vorschriften in §§ 31 ff. SGB II weiterhin eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X erforderlich ist, sofern eine Minderung der bereits erfolgten Leistungsbewilligung aufgrund einer Pflichtverletzung erfolgen soll (i. E. ebenso Hessisches LSG, Beschluss vom 03.12.2013 - L 9 AS 614/13 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse vom 10.02.2014 - L 7 AS 1058/13 B - und vom 25.08.2014 - L 13 AS 163/14 B ER; SG Kassel, Beschluss vom 27.06.2013 - S 7 AS 121/13 ER; SG Dortmund, Beschluss vom 26.05.2014 - S 35 AS 1758/14 ER; Knickrehm/Hahn, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 31b Rn. 7; A. Loose, in: GK-SGB II, § 31b Rn. 21; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 31b Rn. 2; so inzwischen auch die Dienstanweisungen der BA Nr. 31.28 zu §§ 31, 31a, 31b SGB II, wonach zumindest zur Klarstellung ein Aufhebungs-Verwaltungsakt nach § 48 SGB X erlassen werden soll; a. A. Bayerisches LSG, Urteil vom 30.01.2014 - L 7 AS 85/13; SG Trier, Beschluss vom 14.12.2011 - S 4 AS 449/11 ER; Berlit, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2012, § 31b Rn. 2; Lauterbach, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 31b SGB II, Rn. 2; Groth, in: Groth/Luik/Siebel-Hufmann, Das neue Grundsicherungsrecht, Rn. 421). § 31b Abs. 1 S. 1 SGB II, wonach sich der Auszahlungsanspruch nach Erteilung des Sanktionsbesch...

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