Verfahrensgang

SG Stade (Urteil vom 21.01.1992; Aktenzeichen S 4 Kr 109/90)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 21. Januar 1992 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung der beklagten Ersatzkasse, die Aufnahme ihres Studiums habe nicht zur Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS) geführt.

Die im Jahre 1954 geborene Klägerin erwarb 1974 die Fachhochschulreife und ließ sich von 1977 bis 1979 zur technischen Assistentin für Gestaltung ausbilden. In der Folgezeit arbeitete sie als Sekretärin. 1988 gab sie diesen Beruf aus gesundheitlichen Gründen auf und wurde arbeitslos. Von 1977 bis 1987 war sie – in erster Ehe – verheiratet und finanzierte ihrem früheren Ehemann durch ihre Beschäftigung als Sekretärin die Berufsausbildung.

Am 1. Januar 1989 nahm sie an der Freien Kunst-Studienstätte O. einer staatlich anerkannten, privaten Fachhochschule, das Studium der Kunsttherapie-Kunstpädagogik auf. Das achtsemestrige Studium (12 Trisemester) dauert an.

Obwohl die Klägerin bei Beginn ihres Studiums das 30. Lebensjahr – das 34. Lebensjahr – vollendet hatte, erhält sie für die Dauer dieses Studiums Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Rechtsgrundlage ist § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BAföG: Trotz Überschreitens der Altersgrenze (Vollendung des 30. Lebensjahres) ist die Förderung durch die „Art. der Ausbildung” gerechtfertigt. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) dann der Fall, wenn eine solche Ausbildung häufig erst in höherem Lebensalter begonnen wird, dh, wenn in dem betreffenden Fach die Zahl der Auszubildenden, die bei Ausbildungsbeginn die Altersgrenze überschritten haben, einigermaßen konstant 10 vH der Zahl aller Sudienanfänger erreicht (BVerwG, Urteil vom 16.10.1980 – BVerwG 5 C 27.79 –, BVerwGE 61, 92 = FamRZ 1981, 210). Diese Voraussetzung ist im Studiengang Kunsttherapie an der Freien Kunst-Studienstätte Ottersberg erfüllt.

Mit Bescheid vom 14. August 1990/Widerspruchsbescheid vom 12. November 1990 stellte die Beklagte fest, die Klägerin sei wegen Überschreitens der Höchstaltersgrenze (Vollendung des 30. Lebensjahres) nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) in der KVdS versicherungspflichtig.

Das Sozialgericht (SG) Stade hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21.01.1992): Studenten, die ihr Studium erst nach Vollendung ihres 30. Lebensjahres aufnähmen, seien nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V nicht in der KVdS pflichtversichert (LSG Berlin, Urteil vom 16.01.1991 – L 15 Kr 18/90 –, Die Beiträge 1991, 213 ≪= Breithaupt 1991, 881≫). Die zum Teil wortgleich formulierte Vorschrift des § 10 Abs. 3 BAföG verfolge bildungspolitische Ziele, die jedoch im Krankenversicherungsrecht im Hintergrund stünden.

Gegen dieses der Klägerin am 6. Februar 1992 zugestellte Urteil richtet sich deren am 6. März 1992 beim erkennenden Gericht eingegangene Berufung, zu deren Begründung sie vorträgt: Die Rechtsaufassung des SG, wonach jeder Student, der bei Beginn seines Studiums bereits das 30. Lebensjahr vollendet habe, nicht in der KVdS pflichtversichert sei, sei unzutreffend. In den Motiven heiße es ausdrücklich, daß die Eingehung einer insgesamt mindestens achtjährigen Dienstverpflichtung als Soldat oder Polizeivollzugsbeamter bei einem Dienstbeginn vor Vollendung des 22. Lebensjahres das überschreiten der Höchstaltersgrenze rechtfertige. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle deshalb auch ein Student, der sich im Alter von 21 Jahren für 12 Jahre bei der Bundeswehr verpflichte, nach Ende der Dienstzeit in der KVdS versichert sein, obwohl er bei Beginn seines Studiums zwangsläufig älter als 30 Jahre sei. Sie – die Klägerin – habe beachtliche persönliche Gründe für den späten Studienbeginn. Sie habe während ihrer ersten Ehe eine Berufstätigkeit ausgeübt, um die Berufsausbildung ihres früheren Ehemannes zu finanzieren. Ihr eigenes Studium habe sie erst beginnen können, nachdem sie ihre Berufstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen habe aufgeben müssen. Durch die Aufnahme des Studiums sei sie einer ansonsten unumgänglichen Arbeitslosigkeit entgangen. Überdies rechtfertige die Art. der Ausbildung die Überschreitung der Altersgrenze (§ 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BAföG; BVerwG aaO). Der Gesetzgeber habe mit der Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 2. Halbsatz SGB V eine Regelung geschaffen, die der Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BAföG nach Wortlaut und Regelungsgehalt entspreche, um Studenten, die Ausbildungsförderung bezögen, in der KVdS zu versichern. Das folge auch aus § 13 Abs. 2a BAföG. Danach erhielten BAföG-Bezieher, die in der KVdS pflichtversichert seien, eine um 65,– DM höhere Ausbildungsförderung. Dies sei der in der KVdS zu entrichtende Beitrag.

Die Klägerin beantragt nach ihrem gesamten Vorbringen,

  1. das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 21. Janua...

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