Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Fristsetzung zur Stellung eines Leistungsantrages durch die Behörde. unbearbeitete Rücksendung eines verfrüht eingesandten Antrages. Rechtsgrundlage. Amtspflichtverletzung. Entgegennahmepflicht. einstweilige Anordnung. Prozesskostenhilfe. Mutwilligkeit. Kostenentscheidung. Veranlassung
Orientierungssatz
1. Das Verlangen des Trägers der Grundsicherungsleistungen gegenüber dem Hilfebedürftigen, ein Fortzahlungsantrag könne frühestmöglich vier Wochen vor Ablauf des Gewährungszeitraumes gestellt werden und früher eingereichte Anträge müssten unbearbeitet zurückgesandt werden, entbehrt einer Rechtsgrundlage.
2. Hilfebedürftige sind nach § 37 SGB II gesetzlich nicht verpflichtet, den Leistungsantrag innerhalb vorgegebener Fristen zu stellen. Nach Eingang eines derartigen Antrages ist die Behörde nach § 18 S. 2 Nr. 1 SGB X gehalten und verpflichtet, das Verwaltungsverfahren auch durchzuführen. § 20 Abs. 3 SGB X begründet ausdrücklich eine Annahmepflicht der Behörde u.a. für Anträge.
Normenkette
SGB I § 2 Abs. 2, §§ 13, 15, 16 Abs. 1-2, § 17 Abs. 1; SGB II §§ 7, 37; SGB X § 18 Sätze 1, 2 Nr. 1, § 20 Abs. 3; SGG § 102 S. 3, § 193; ZPO §§ 114, 127 Abs. 4; RVG § 18 Nr. 5, § 3 Abs. 1
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragstellerin werden die Beschlüsse des Sozialgerichts Aachen vom 13.12.2007 geändert. Der Antragstellerin wird für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt F beigeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin mit Ausnahme der Kosten des Prozesskostenhilfe betreffenden Beschwerdeverfahrens; diese sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat im erstinstanzlichen Verfahren sowohl den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Monat November 2007 beantragt als auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F.
Die Antragsgegnerin bewilligte der im Februar 1994 geborenen, bereits seit Mai 2006 in Leistungsbezug stehenden, alleinerziehenden Antragstellerin mit Bescheid vom 22.5.2007 für den neuen Bewilligungsabschnitt vom 9.5. bis 31.10.2007 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II). Für die am 07.07.2006 geborene Tochter der Antragstellerin werden Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt.
Während des Leistungsbezugs teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin durch Schreiben vom 3.8.2007 mit, dass sie aus Kostengründen künftig nicht mehr nach Ablauf des jeweiligen Gewährungszeitraumes das Formular "Fortzahlungsantrag" mit der Post übersenden werde. Die Antragstellerin könne frühestmöglich ihren Fortzahlungsantrag vier Wochen vor Ablauf des Gewährungszeitraums stellen. Früher eingereichte Anträge müssten unbearbeitet zurückgesandt werden. Es werde empfohlen, spätestens 14 Tage vor Ablauf des Gewährungszeitraumes den Fortzahlungsantrag vollständig bei der Antragsgegnerin einzureichen. Die Formulare erhalte sie an den näher bezeichneten Stellen bzw. auch im Internet.
Die Antragstellerin übersandte der Antragsgegnerin einen am 10.9.2007 von ihr unterschriebenen Fortzahlungsantrag für den folgenden Bewilligungsabschnitt ab 1.11.2007, der bei der Antragsgegnerin am 12.9.2007 einging. Diese sandte mit Schreiben noch vom gleichen Tage unter Bezugnahme auf das Informationsschreiben vom 3.8.2007 den Antrag an die Antragstellerin zurück und wies darauf hin, dass sie diesen nicht bearbeiten könne. Die Antragstellerin könne den Fortzahlungsantrag frühestens vier Wochen vor Ablauf des Gewährungszeitraums stellen, also frühstens ab 4.10.2007.
Am 29.10.2004 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen die Ablehnung einer Leistungszahlung für den Monat Oktober 2007 wegen von der Antragsgegnerin angenommener fehlender Mitwirkung ein.
Die Antragstellerin stellte mit der Einlegung des Widerspruchs am 29.10.2004 gleichzeitig auch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Antragsgegnerin zur Zahlung der Leistungen für November 2007 vorläufig verpflichtet werden sollte. Außerdem beantragte die Antragstellerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt F. Sie verwies zur Begründung darauf, dass sie alle Unterlagen beigebracht habe, die die Antragsgegnerin für eine Entscheidung der Leistungsbewilligung für den Monat Oktober 2007 angefordert habe, und dass die Antragsgegnerin außerdem angekündigt habe, auch für November 2007 keine Leistungen erbringen zu wollen. Dem hielt die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 30.10.2007 entgegen, dass ein Fortzahlungsantrag für die Zeit ab 01.11.2007 bei ihr nicht eingegangen sei. Erst nach daraufhin erfolgter (erneuter) Übersendung des Fortzahlungsantrags vom 12.9.2007 mit Telefax vom 30.10.2007 durch den Bevollmächtigten sah die Antragsgegnerin diesen Zeitpunkt als Antragszeitpunkt an und bewilligte mit Bescheid vom 5.11.2007 Leist...