Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Rentenanpassung zum 1. 7. 2013. Festsetzung des aktuellen Rentenwerts. Inhaltsbestimmung des Eigentums. Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Altersvorsorgeanteil. Nachhaltigkeitsfaktor. Abschmelzung des Ausgleichsbedarfs. Geschütztes Vertrauen. Ungleichbehandlung gegenüber Ruhestandsbeamten
Orientierungssatz
1. Nach § 69 Abs. 1 SGB 6 hat die Bundesregierung den jeweils ab dem 1. Juli eines Jahres maßgebenden aktuellen Rentenwert durch Rechtsverordnung zu bestimmen.
2. Die Rentenanpassung zum 1. 7. 2013 verstößt nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. GG. Die Einfügung des Altersvorsorgeanteils und des Nachhaltigkeitsfaktors in die Formel zur Fortschreibung des aktuellen Rentenwerts zählen zu den Maßnahmen, mit denen der Gesetzgeber unter Wahrung des Grundsatzes der Generationengerechtigkeit die langfristige Stabilisierung der Finanzen der gesetzlichen Rentenversicherung sicherstellt.
3. Die Rentenanpassung verletzt nicht das Recht des Rentenbeziehers auf jährliche Neufeststellung des aktuellen Rentenwerts nach § 68a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 255e Abs. 5 SGB 6. Danach ist die tatsächliche Rentenabsenkung nicht geringer als im Vorjahr festzusetzen.
Normenkette
SGB VI § 69 Abs. 1, §§ 68a, 255e Abs. 5; GG Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, 3, Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.04.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Rentenanpassung zum 1.7.2013.
Der am 00.00.1941 geborene Kläger bezieht seit dem 1.4.2006 von der Beklagten eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.
Mit der Rentenanpassungsmitteilung zum 1.7.2013 teilte die Beklagte dem Kläger im Juli 2013 mit, dass der aktuelle Rentenwert für die Zeit ab dem 1.7.2013 um 0,25 % von 28,07 Euro auf 28,14 Euro steigt.
Der Kläger erhob hiergegen mit Schreiben vom 21.7.2013, bei der Beklagten eingegangen am 23.7.2013, Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass die Anpassung der Rente um nur 0,25 % gegen den Gleichheitssatz gem. Art. 3 Grundgesetz (GG) und die allgemeinen Menschenrechte verstoße, weil pensionierte Beamte im Jahr 2013 eine erheblich höhere Erhöhung ihrer Altersbezüge erhalten würden. Seine Rente sei rückwirkend um 8,75 % anzuheben.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 1.10.2013 zurück. Die Bestimmung des aktuellen Rentenwerts entspreche dem geltenden Recht.
Am 30.10.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Zur Begründung trug er vor, die Anpassung seiner Rente um lediglich 0,25 % verstoße gegen die Art. 3, 14 GG in Verbindung mit Art. 19, 20 GG. Darüber hinaus würden Art. 17 und 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt. Nach Angaben des statistischen Bundesamts hätten sich die Einkommen in der Privatwirtschaft seit 1998 um etwa 31 %, die Verbraucherpreise um etwa 19 %, die Renten jedoch nur um etwa 11,6 % erhöht. Insoweit bestünde ein "Nachholfaktor" bezüglich der Rentner.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, seine Rente rückwirkend zum 1.7.2013 um 8,75 % anzuheben,
sowie der Beklagten aufzugeben, versicherungsfremde Leistungen für die Jahre 2009 bis 2012 nachvollziehbar auszuweisen, und gegebenenfalls zu prüfen, ob in der Tatsache, dass die Rentenversicherung als Treuhänder der Beitragszahler, vom Gesetzgeber nicht die volle Finanzierung der versicherungsfremden Leistung einfordere, ein Verstoß gegen § 266 Strafgesetzbuch (Untreue) vorliegt,
hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorzulegen, ob durch die Anpassung der Renten nur um 0,99 % rechtsstaatliche Grundsätze verletzt werden und damit Verstöße u.a. gegen Art. 3 (Gleichheitssatz), Art. 14 (Eigentumsschutz), Art. 19 Abs. 1, 2 und Art. 20 GG (Grundsatz von Treu und Glauben, Prinzip des sozialen Rechtsstaates) vorliegen,
oder das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Frage vorzulegen, ob das deutsche Rentenrecht gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstößt, insbesondere gegen die Art. 17 und 20,
hilfsweise, im Hinblick auf die beim BVerfG (Az. 1 BvR 3148/10) und beim EGMR (Az. 62071/10) anhängigen Beschwerden zum Thema zu geringe Rentenanpassung das Verfahren bis zu den Entscheidungen in diesen Verfahren ruhen zu lassen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat dem Ruhen des Verfahrens nicht zugestimmt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des SG ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Mit Urteil vom 10.4.2014 hat das SG Köln ohne mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 15.4.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.5.2014 Berufung eingelegt. Er trägt vor, dass Rentner/innen bei der Anpassun...