Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung eines betrieblichen Praktikums
Orientierungssatz
1. Die Nacherhebung von Pflichtbeiträgen nach § 28 p Abs. 1 S. 5 SGB 4 setzt u. a. eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt oder Berufsausbildung voraus.
2. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn eine Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte und die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet.
3. Verpflichtet ein Praktikantenvertrag den Betroffenen, die im Rahmen des Praktikums übertragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen und die für das Unternehmen geltenden Ordnungen zu beachten, so liegt eine abhängige Beschäftigung i. S. von § 7 Abs. 1 SGB 4 nicht vor.
4. Die während einer Praktikumszeit ausgeübten Tätigkeiten vollziehen sich nicht im Rahmen betrieblicher Berufsausbildung und stellen damit keine Berufsausbildung i. S. des § 7 Abs. 2 SGB 4 dar. Eine finanzielle Förderung durch den Arbeitgeber ändert an der Beurteilung, dass weder eine entgeltliche Beschäftigung, noch eine Beschäftigung zur Berufsausbildung vorliegt, nichts (Anschluss BSG Urteil vom 1. 12. 2009, B 12 R 4/08 R).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 5.5.2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Festsetzung des Streitwertes für das erstinstanzliche Verfahren wird aufgehoben.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Betriebsprüfungsbescheides der Beklagten, mit dem diese den Kläger auf Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für den Zeitraum vom 1.1.1996 bis zum 30.9.1998 in Anspruch nimmt.
Die am 00.00.1974 geborene Beigeladene zu 1) absolvierte nach Beendigung ihrer Schulausbildung ab dem 1.8.1993 eine ursprünglich auf eine Regelausbildungsdauer von drei Jahren angelegte Ausbildung zur "Fachgehilfin in steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen" in dem Ausbildungsbetrieb ihres Vaters, des Rechtsvorgängers des nunmehrigen Klägers, Herrn I X, M. Die Dauer der Ausbildung wurde aufgrund einer schulischen Vorbildung der Beigeladenen zu 1) an der Höheren Handelsschule um zwölf Monate verkürzt und endete gemäß Berufsausbildungsvertrag vom 10.5.1993 am 31.7.1995.
Nach entsprechenden Eignungstests, die die Beigeladene zu 1) nach eigenem Bekunden bereits während ihrer Berufsausbildung im Februar 1995 erfolgreich absolviert hatte, nahm sie am 1.10.1995 ein dual organisiertes Studium an der privaten, staatlich anerkannten Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) Q in der Fachrichtung Wirtschaft (Schwerpunkt Steuer- und Revisionswesen) auf.
Nach § 1 Abs. 1 der dem Bildungsgang zugrunde liegenden Studienordnung der FHDW für den Studiengang Wirtschaft - Schwerpunkt Europäische Unternehmensführung, Informationsmanagement, Steuer- und Revisionswesen, Finanzdienstleistungen, Touristik -vom 18.2.1994 bereitete die FHDW durch anwendungsbezogene Lehre und ein dual organisiertes Studium auf berufliche Tätigkeiten vor, die die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse erfordern. Nach § 1 Abs. 2 der Studienordnung dient die FHDW darüber hinaus Aufgaben der Weiterbildung.
Nach § 5 Abs. 1 der Studienordnung betrug die Regelstudienzeit drei Studienjahre, gegliedert im ersten Studienjahr in Semester und im zweiten und dritten Studienjahr in Trimester, die einheitlich als Semester bezeichnet wurden. Nach § 5 Abs. 3 der Studienordnung unterteilte sich das Studium in ein Grundstudium (1. bis 4. Semester) und ein Hauptstudium (5. bis 8. Semester).
Das Grundstudium gliederte sich nach den seinerzeit geltenden Regelungen der Studienordnung wie folgt:
1. Semester
Vorlesungsblock = 12 Wochen
Praxisblock = 12 Wochen
2. Semester
Vorlesungsblock = 12 Wochen
Praxisblock = 8 Wochen
3. Semester
Vorlesungsblock mit Fachprüfungen zur Vordiplom-Prüfung = 12 Wochen
4. Semester
Durchführung des Projektes und Anfertigung der Projektarbeit = 12 Wochen
Das Hauptstudium wies folgende Struktur auf:
5. Semester
Vorlesungsblock = 12 Wochen
Auslandspraktikum = 8 Wochen
6. Semester
Vorlesungsblock = 12 Wochen = Praxisblock 8 Wochen
7. Semester Vorlesungsblock mit Fachprüfungen zur Diplom-Prüfung = 12 Wochen
8. Semester
Diplomanden-Seminar und Anfertigung der Diplomarbeit mit anschließenden Kolloquium = 12 Wochen
Nach § 5 Abs. 4 der Studienordnung fand in den Praxisphasen des ersten, zweiten und sechsten Semesters eine Betreuung durch das Lehrpersonal der FHDW und durch das Unternehmen, in denen die Praxisblöcke durchgeführt werden, statt.
§ 7 ...