Entscheidungsstichwort (Thema)
Missbräuchliche Bestellung zum stellvertretenden Vorstand einer Gesellschaft zur Umgehung der Rentenversicherungspflicht
Orientierungssatz
1. Die Bestellung eines Qualitätsmanagers bzw. Teamleaders für Servicemarketing zum stellvertretenden Vorsitzenden eines Unternehmens ist missbräuchlich, wenn sie allein zur Umgehung der Rentenversicherungspflicht erfolgt (BSG Urteil vom 25.04.2007, B 12 KR 30/06 R).
2. Es ist in hohem Maß unüblich, dass 27 stellvertretende Vorstände bestellt und diese für ihre Bestellung an die sie anstellende Körperschaft eine Gebühr zu entrichten haben.
3. Ungewöhnlich ist des Weiteren, dass stellvertretende Vorstände keine Aufwandsentschädigung bzw. feste Bezüge für ihre Tätigkeit erhalten.
4. Alle diese Umstände sprechen deutlich dafür, dass der Betreffende gezielt zur Umgehung der Rentenversicherungspflicht mit der Position eines stellvertretenden Vorsitzenden betraut wurde. Dieser ist beitragspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Tenor
Auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.02.2006 geändert und die Klage abgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Versicherungs- und Beitragspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der 1975 geborene Kläger war bei der Beigeladenen zu 3) seit 01.01.2003 zunächst als Qualitätsmanager beschäftigt und ist dort nunmehr als "Teamleader für Servicemarketing" tätig. Beiträge zur Rentenversicherung werden von der Beigeladenen zu 3) entrichtet. Durch Beschluss des Aufsichtsrates der Beigeladenen zu 2), der aus einer Person besteht, wurde der Kläger am 31.10.2003 zum stellvertretenden Vorstand bestellt. Die Eintragung in das bei dem Amtsgericht Bremen geführte Handelsregister (HR B 000) erfolgte am 28.01.2004. Unter dem selben Datum wurden 26 weitere stellvertretende Vorstände in das Handelsregister eingetragen. Die Beigeladene zu 2) ist eine Aktiengesellschaft (AG) mit Sitz in Bremen und seit dem 15.03.2001 eingetragen. Das Grundkapital beläuft sich auf 50.000,-- Euro.
Ebenfalls unter dem 31.10.2003 schlossen der Kläger und die Beigeladene zu 2) einen "Anstellungs- und Versicherungsvertrag" (im Folgenden: Anstellungsvertrag). Dieser enthält u.a. die folgenden Abreden:
§ 1 Aufgaben
1. - 2. (...)
3. Das stellvertretende Vorstandsmitglied haftet lediglich für das von ihm verantwortete Geschäft.
4. Das stellvertretende Vorstandsmitglied wird für die T AG im Rahmen der organisatorischen und akquisitorischen Vorbereitung und Umsetzung des Betreiberkonzeptes für das Projekt "Ambulante Pflegedienste" und "Pflegeassistenten" tätig.
Leistungsschwerpunkte
- Akquisitionsgespräche
- Feststellung der Kooperationsfähigkeit der ambulanten Dienste
- Ermittlung des Bedarfs an Leistungen
- Erarbeitung des Einsatzplanes zur Akquisition der Pflegeassistenten
- Zusammenarbeit mit den örtlichen Organen, den medizinischen Einrichtungen und den Nutzern.
§ 2 Vergütung
1. Das stellvertretende Vorstandsmitglied erhält für seine Tätigkeit ausschließlich eine leistungsbezogene Vergütung für die Vermittlung von Beratungsverträgen für Pflegebedürftige und ambulante Pflegedienste.
Die Vergütung ist wie folgt gestaffelt:
A. Für die Akquisition von Pflegediensten erhält das stellvertretende Vorstandsmitglied eine Provision in Höhe von 3,5 % der Honorarumsätze, die die T AG mit dem ambulanten Pflegedienst während der Laufzeit eines Beratungs- und Kooperationsvertrages tatsächlich erzielt.
B. Für die Akquisition von "Pflegeassistenten" 100,00 Euro pro abgeschlossenen Einstellungsvertrag/Pflegevertrag.
Das Honorar ist jeweils am 15. des darauffolgenden Monats für die erbrachten Leistungen des Vormonats fällig.
2. Das stellvertretende Vorstandsmitglied kann über seinen Arbeitsort und seine Arbeitszeit frei verfügen.
3. Das stellvertretende Vorstandsmitglied ist allein verantwortlich für die Abführung aller gesetzlichen Abgaben, wie Steuern etc.
4. Das stellvertretende Vorstandsmitglied willigt ein, dass die T AG nach § 7 a SGB IV beim Rentenversicherungsträger oder der Einzugsstelle des selben, einen Antrag stellt, um feststellen zu lassen, dass das stellvertretende Vorstandsmitglied keine versicherungspflichtige Beschäftigung und Tätigkeit ausübt.
§ 3 Kosten
1. Für die Bestellung zum stellvertretenden Vorstandsmitglied und der Umsetzung des Konzeptes wird eine einmalige Bearbeitungsgebühr von 750,00 Euro erhoben.
2. Diese Gebühr ist sofort vor Eintragung beim Registergericht zu bezahlen, auf folgendes Konto der T AG, Konto-Nr.: ...
3. Kosten und Aufwendungen werden dem stellvertretenden Mitglied nicht erstattet.
§ 4 Vertragsdauer
1. Der Anstellungsvertrag wird für die Zeit von 5 Jahren geschlossen. Verlängerungen des Vertrages sind möglich, wenn das stellvertretende Vorstandsmitglied weiterhin zum stellvertretenden Vorstandsmitglied der T AG bestellt worden ist.
2. Wird das stellvertretende Vorstandsmitglied während der Laufzeit des Vertrages dauer...