Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung. Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag. Maßnahme zu Teilhabe am Arbeitsleben. Übergangsgeldbezug vom Rentenversicherungsträger. Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Entgeltersatzleistung. Erfordernis des tatsächlichen Leistungsbezugs für die Nähe zur Versichertengemeinschaft der ArblV
Orientierungssatz
Eine Sozialleistung wird nach dem allgemeinen Sprachgebrauch erst dann "bezogen", wenn sie tatsächlich zufließt. Wenn der Gesetzgeber in § 28a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB 3 idF vom 28.5.2008 für eine Pflichtversicherung auf Antrag den Bezug einer Entgeltersatzleistung nach diesem Buch im unmittelbaren Vorfeld der Selbständigkeit verlangt, genügt ihm das bloße Innehaben eines Anspruches insoweit nicht. Jedenfalls dann, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen des Bezugs einer anderen Sozialleistung ruht, kann das bloße Bestehen des Stammrechts die von § 28a Abs. 1 Satz 2 SGB 3 idF vom 28.5.2008 geforderte Nähe zur Versichertengemeinschaft nicht begründen. Denn in diesem Fall besteht das aus der tatsächlichen Leistungsbeziehung abgeleitete besondere Näheverhältnis allein zu dem anderen Sozialleistungsträger, nicht aber zur Arbeitslosenversicherung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.03.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie für die Zeit ab dem 01.07.2010 auf Antrag versicherungspflichtig in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung ist.
Die im Jahre 1953 geborene Klägerin bezog vom 04.02.2008 bis zum 30.06.2009, unterbrochen durch eine Zeit der Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosengeld von der Beklagten. Ab dem 01.07.2009 nahm die Klägerin an einer von der Deutschen Rentenversicherung Bund finanzierten Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teil und erhielt in dieser Zeit bis zum 30.06.2010 vom Rentenversicherungsträger Übergangsgeld. Zum 01.07.2010 machte sich die Klägerin selbständig.
Am 29.06.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.07.2010 ab: Die Klägerin habe vor Aufnahme der Tätigkeit, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtige, weder eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen, noch habe sie in einem Versicherungspflichtverhältnis nach dem SGB III gestanden. Die Voraussetzungen für eine freiwillige Weiterversicherung seien daher nicht erfüllt. Hiergegen legte die Klägerin am 06.08.2010 Widerspruch ein und ließ zur Begründung ausführen, auch das Übergangsgeld sei versicherungspflichtig im Sinne des SGB III. Zudem sei die von ihr durchlaufene Umschulung einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gleichzustellen. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück: Das Übergangsgeld sei nicht versicherungspflichtig zur Arbeitslosenversicherung gewesen. Die von der Klägerin durchlaufene Umschulung sei auch keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im Sinne des § 28a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III gewesen, da es sich hierbei um eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben und nicht um eine geförderte Beschäftigung gehandelt habe.
Am 07.10.2010 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Köln erhoben.
Die Klägerin hat auf ihr Widerspruchsvorbringen Bezug genommen und beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2010 zu verurteilen, ihrem Antrag auf freiwillige Weiterversicherung ab dem 01.07.2010 zu entsprechen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.03.2011 abgewiesen: Die Klägerin erfülle nicht die in § 28a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III niedergelegten Voraussetzungen für die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag. Der Bezug von Übergangsgeld begründe ein Versicherungspflichtverhältnis in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung lediglich bei einer Teilnahme an einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation, nicht aber bei Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (unter Bezugnahme auf BSG, Beschluss vom 21.03.2007, B 11a AL 171/06 B). Auch handele es sich bei der von der Klägerin durchlaufenen Umschulung nicht um eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im Sinne des SGB III. Schließlich habe die Klägerin unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit keine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen. Zwar habe die Klägerin noch über einen 54 Tage umfassenden Anspruch auf Arbeitslosengeld verfügt. Dieser habe jedoch wegen des Bezuges von Übergangsgeld gem. § 142 Abs. 1 Nr. 2 SGB III geruht. Seinem Wortlaut nach setze der "Bezug" grundsätzlich den tatsächlichen Erhalt des Arbeitslosengeldes voraus, so dass ein Ruhen des Leistungsanspruches dem Bezug nicht gleichgestellt werden...