Entscheidungsstichwort (Thema)

Kurzarbeitergeldanspruch. erheblicher Arbeitsausfall. unabwendbares Ereignis. Unvermeidbarkeit. Krebserkrankung des Betriebsinhabers

 

Orientierungssatz

Zur Rechtmäßigkeit der Versagung von Kurzarbeitergeld im Fall einer Krebserkrankung des Betriebsinhabers (Arzt) mangels eines unvermeidbaren Arbeitsausfalls durch unabwendbares Ereignis iS von § 170 SGB 3.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.12.2014; Aktenzeichen B 11 AL 3/14 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.04.2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein erheblicher Arbeitsausfall und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) vorliegen; streitig ist vor allem, ob ihre Erkrankung als Inhaberin einer ärztlichen Einzelpraxis ein unabwendbares Ereignis im Sinne der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch (SGB III) ist.

Die 1950 geborene Klägerin betreibt als praktische Ärztin eine privatärztliche Naturheilpraxis in E. (Einzelpraxis). Als sie in Jahren 2005 und 2007 arbeitsunfähig erkrankt war, erhielt sie für ihre Mitarbeiter Kug. Ende Mai 2009 zeigte sie erneut eine Arbeitszeitreduzierung auf Null - zunächst für die Zeit vom 27.05. bis 21.06.2009 - wegen einer "akuten Erkrankung der Praxisinhaberin" an.

Mit Bescheid vom 22.06.2009 entschied die Beklagte, dass der Anzeige nicht entsprochen werden könne. Die Erkrankung einer Ärztin erfülle nach aktueller Rechtslage nicht die Voraussetzungen für den Kug-Bezug beim nichtärztlichen Personal. Dies gehöre zum normalen Betriebsrisiko. Die Klägerin widersprach und betonte, dass es sich nicht um eine normale Erkrankung, sondern um eine plötzliche schwerwiegende Krebserkrankung handele, die bereits zweimal operiert worden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 02.07.2009 als unbegründet zurück: Ein Arbeitsausfall im Sinne des § 170 SGB III müsse um erheblich zu sein, auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen. Die Erkrankung der Praxisinhaberin stelle nach allgemeinem Sprachgebrauch wie auch nach Systematik und Zielsetzung der §§ 169, 170 SGB III kein unabwendbares Ereignis dar. Spätere Leistungsanträge und Korrekturanträge der Klägerin lehnte die Beklagte ab.

Mit ihrer am 18.07.2009 zum Sozialgericht Duisburg (SG) gegen den Bescheid vom 22.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2009 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht: Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lasse sich herleiten, dass der Fall der Krankheit grundsätzlich zu den unabwendbaren Ereignissen gehöre. Eine Krebserkrankung stelle kein typisches Risiko dar, mit dem jeder Unternehmer rechnen und für das daher in der Betriebsorganisation Vorsorge getroffen werden müsse. Sie falle eher in die Kategorie höherer Gewalt oder eines schicksalhaften Ereignisses. Bereits in der Vergangenheit sei ihr wegen einer Fußoperation im Jahr 2005 und einer starken Infektion im Jahr 2007 für ihre Mitarbeiter Kug gewährt worden. Hieraus ergebe sich für sie Vertrauensschutz. Die Erkrankung und damit der Arbeitsausfall seien unvermeidbar gewesen sei. Sie habe sich, wie auch in den Jahren 2005 und 2007, um eine Praxisvertretung gekümmert, aber relativ wenig Rückmeldungen gehabt, so ca. fünf Bewerber: Mit dem Spezialgebiet TCM mit Akupunktur und klassischer Homöopathie habe sich dann jedoch kein Praxisvertreter gefunden. In der Zeit ihrer Abwesenheit sei das Telefon durch ihre Mitarbeiter besetzt gewesen. Sie selbst habe nicht als Ansprechpartner für Rückfragen zur Verfügung gestanden. Die Patienten seien, soweit es sich um Infekte oder ähnliches gehandelt habe, an den Hausarzt verwiesen worden. Was die eigentliche Therapien anbelange, insbesondere die Schmerztherapie, hätten die Patienten abgewartet bis sie wieder da gewesen sei. Aus diesem Grunde sei das ganze Jahr 2009 bis zum Ende hin die Arbeit der Mitarbeiter verringert gewesen. Gegen Ende des Jahres habe dann die Arbeitszeit bei rund 80 % gelegen.

Die Beklagte hat ihre Bescheide für rechtmäßig gehalten. Kug diene nicht dazu, Erkrankungen des Betriebsinhabers abzusichern.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21.04.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es i.W. ausgeführt: Es bestehe kein Anspruch auf Kug für die Arbeitnehmer der Klägerin, denn es fehle an einem erheblichen Arbeitsausfall i. S. d. § 170 Abs. 1 bis 4 SBG III. Die Verringerung der Arbeitszeit in der klägerischen Praxis beruhe unstreitig nicht auf wirtschaftlichen Gründen. Nach § 170 Abs. 3 SGB III sei eine andere Voraussetzung für den maßgeblichen Arbeitsausfall ein unabwendbares Ereignis. Auch hier müsse es sich um von außen auf den Betrieb einwirkende, als solche vom Betrieb nicht abzuwendende Umstände handeln. Gemeint sei ein objektiv feststellbares Ereignis, das auch durch die äußerste, nach den Ums...

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