Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung. sonstiger Versicherungspflichtiger. nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson. Anwendbarkeit des § 26 Abs 2b SGB 3 idF ab 1.1.2017. Erfordernis des unmittelbaren Anschlusses der Pflegetätigkeit an eine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung bzw an den Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB 3
Leitsatz (amtlich)
Pflegetätigkeiten iSv § 26 Abs 2b Satz 1 SGB III idF ab 1.1.2017 sind nur solche, die seit dem 1.1.2017 unmittelbar an eine vorbestehende Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung bzw an einen Bezug von Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III anschließen (aA LSG Hamburg vom 11.8.2021 - L 2 AL 2/21 = juris RdNr 39).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 30.09.2020 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der 1976 geborene Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung einer Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung ab dem 01.01.2017 als Pflegeperson seiner Mutter.
Der Kläger ist Sohn der 1942 geborenen und am 00.09.2020 verstorbenen Frau I B (im Folgenden: Mutter). Die Mutter erhielt seit dem 01.10.2003 Pflegegeld nach der Pflegestufe I; zuständig hierfür war seit dem 01.09.2008 die landwirtschaftliche Pflegekasse Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: Pflegekasse). Pflegeperson war zunächst Frau J B.
Der Kläger war ehemals beim Land Nordrhein-Westfalen (S Aachen) im Rahmen einer Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) als Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Diplom-Ingenieur Elektrotechnik) angestellt. Die von vornherein befristete Vollzeittätigkeit änderte sich ab September 2008 auf eine halbzeitige Tätigkeit; das Anstellungsverhältnis konnte so weitere zwei Monate fortgesetzt werden. Mit Ablauf des 31.12.2008 lief die Tätigkeit ganz aus. Vom 01.01. bis zum 12.11.2009 bezog der Kläger Arbeitslosengeld, vom 13.11.2009 bis zum 31.12.2010 Krankengeld und vom 01.02.2011 bis zum Erlöschen des Anspruches am 18.09.2011 wiederum Arbeitslosengeld.
Bereits ab dem 01.11.2008 wurde der Kläger gegenüber der Pflegekasse als Pflegeperson benannt; die Pflegekasse entrichtete ab diesem Zeitpunkt im Rahmen des SGB XI Rentenversicherungsbeiträge für den Kläger. Ab Januar 2015 erhielt die Mutter Leistungen nach er Pflegestufe II; die Rentenversicherungsbeiträge für den Kläger wurden entsprechend angepasst. Ab dem 01.01.2017 wurde die Pflegestufe II in den Pflegegrad 3 übergeleitet. Seit dem 01.03.2020 bestand der Pflegegrad 5.
Mit Schreiben vom 19.12.2016 beantragte der Kläger bei der Pflegekasse die Entrichtung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung nach dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz wegen nicht erwerbsmäßiger Pflege seiner Mutter. Im nachgereichten "Fragebogen zur Zahlung der Beiträge zur sozialen Sicherung nicht erwerbstätiger Pflegepersonen" gab er an, er pflege seine Mutter seit dem 01.11.2008; der Umfang der Pflegetätigkeit betrage "28+" Stunden. Eine anderweitige Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung bestehe nicht; unmittelbar vor Beginn der Pflegetätigkeit sei er arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die Pflegekasse teilte dem Kläger mit Schreiben vom 13.04.2017 mit, für Pflegepersonen, die am 31.12.2016 nach § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III (damaliger Fassung) arbeitslosenversicherungspflichtig gewesen seien, werde gemäß § 446 Abs. 2 SGB III ab dem 01.01.2017 das Versicherungspflichtverhältnis nach § 26 Abs. 2b SGB III n.F. fortgeführt. Der Kläger habe sich am 31.12.2016 in keinem arbeitslosenversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis befunden. Eine Beitragszahlung zur Arbeitslosenversicherung erfolge deshalb nicht. Die Pflegekasse stellte die Bearbeitung des hiergegen erhobenen Widerspruchs auf Bitten des Klägers zurück.
Denn der Kläger hatte bei der Beklagten am 15.11.2017 einen Antrag auf ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag - Pflegepersonen - gestellt; zuvor hatte er sich bereits am 26.04.2017 telefonisch danach erkundigt. Im Antrag war angegeben, das Versicherungspflichtverhältnis beginne am 01.10.2011. Zuvor habe er vom 13.11.2009 bis zum 31.12.2010 Krankengeld erhalten, ferner habe er eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen. Die Beklagte lehnte diesen "Antrag auf ein Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung nach § 28a SGB III" mit Bescheid vom 30.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2018 ab, weil er nicht rechtzeitig gestellt worden sei; Kontaktaufnahmen des Klägers mit der Beklagten wegen einer Versicherungspflicht vor dem 26.04.2017 seien nicht ersichtlich. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
Die Pflegekasse teilte der Beklagten (bereits) mit Schreiben vom 23.04.2018 mit, sie lehne eine Beitragszahlung zur Arbeitslosenversicherung für den Kläger ab, da eine Versicherungspflicht ab dem 01.01.2017 nur bestanden hätte, wenn der Kläger unmittelbar zuvor versicherungspflic...