Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufliche Eingliederung behinderter Menschen. Berufsförderungswerk. tägliche Pendlerfahrten zwischen Wohnort und Ausbildungsort. Erstattung der erforderlichen Fahrtkosten. Höchstbetrag. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Auswärtige Unterbringung. Erforderlichkeit. Wirtschaftlichkeitsgebot
Orientierungssatz
Der Rehabilitationsträger ist nicht berechtigt, die nach § 53 Abs 4 SGB 9 zu erstattenden Fahrtkosten für die Wege zwischen Wohnort und dem Ort der beruflichen Rehabilitation (hier Berufsförderungswerk) über die Höchstgrenze der Kosten einer auswärtigen Unterkunft hinaus auf den in § 128 SGB 3 genannten Betrag zu kürzen (vgl BSG vom 25.3.2003 - B 7 AL 8/02 R = BSGE 91, 54 = SozR 4-4300 § 110 Nr 1).
Normenkette
SGB IX § 53 Abs. 1, 4; BRKG § 5 Abs. 1; SGB VI §§ 13, 28; SGB III § 128
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der dem Kläger zustehenden Fahrkosten streitig.
Der 1973 geborene Kläger absolvierte in den Jahren 1991 bis 1994 erfolgreich eine Ausbildung zum Industriemechaniker und war ab 1994 als solcher im Dreischichtbetrieb in einem Zementwerk tätig. Seit September 2006 war er arbeitsunfähig und bezog nach Aussteuerung Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Er stellte am 22.10.2008 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der Beklagten, welche diese zunächst ablehnte (Bescheid v. 31.10.2008). Nach den beigezogenen medizinischen Unterlagen sei der Kläger weiterhin in der Lage, eine Beschäftigung als Schlosser auszuüben. Dagegen legte der Kläger am 28.11.2008 Widerspruch ein. Sein letzter Arbeitgeber habe ein Gutachten veranlasst, nach dem er nicht mehr in der Lage sei, vollschichtig als Schlosser tätig zu sein (Gutachten Dr. D, M v. 16.9.2008). Die Möglichkeit einer Umsetzung bestehe nicht. Die Beklagte forderte daraufhin einen Befundbericht des behandelnden Arztes des Klägers an (Befundbericht des Neurologen und Psychiater Dr. Q v. 11.4.2009), in welchem eine langandauernde Anpassungsstörung/Belastungsstörung (depressiv, situativ) und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung bescheinigt wurden. Durch eine berufliche Rehabilitation sei eine Besserung der Leistungsfähigkeit möglich. Die Beklagte bewilligte dem Kläger sodann Leistungen zur medizinischen Rehabilitation an (Bescheid v. 27.1.2009). Ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts über diesen Rehabilitationsaufenthalt vom 16.3.2009 bis zum 9.4.2009 wurden dort bei dem Kläger eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, eine leichte depressive Episode, ein Lendenwirbelsäulensyndrom, eine Hypercholesterinanämie und ein Nikotinabusus diagnostiziert. Er könne seine Tätigkeit als Industriemechaniker grundsätzlich sechs Stunden und mehr verrichten. Er sei dabei arbeitsfähig für den Beruf als solchen, nicht hingegen für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit. Seine erhöhte Stressintoleranz und eine leichte emotionale Irritierbarkeit seien zu beachten.
Daraufhin half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers ab und gewährte ihm Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Bescheid vom 1.9.2009). Der Kläger nahm zunächst ab dem 9.11.2009 bis zum 18.12.2009 als Pendler an einer Berufsfindungsmaßnahme für psychisch kranke Menschen im Berufsförderungswerk (BFW) I teil. Nach dem Abschlussbericht des BFW I vom 7.1.2010 wurde eine Umschulung zum Refa-Fachwirt empfohlen. Gleichzeitig wurde die Teilnahme an einem dreimonatigen Rehabilitationsvorbereitungslehrgang sowie die Wiederaufnahme einer ambulanten Psychotherapie für notwendig erachtet, um Überforderungen entgegen zu wirken. Nach der arbeitsmedizinischen Beurteilung war der Kläger in der Lage leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit kurzzeitigem Heben und Tragen von Lasten bis maximal 15 Kilogramm (kg) vollschichtig in Früh-, Spät- oder Nachtschicht zu verrichten. Arbeiten mit erhöhter nervlicher Belastung, Publikumsverkehr sowie seelischen Belastungen oder unter Zeitdruck sowie taktgebundene Arbeiten oder Akkordarbeiten seien ihm nicht zumutbar. Ständiges Stehen, Gehen und Sitzen sowie Körperzwangshaltungen, häufiges Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie auf unebenen Böden und häufiges Bücken, Knien und Hocken sowie Überkopfarbeiten sollten unterbleiben.
Mit Bescheid vom 3.2.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger die Weiterbildung "Fachwirt - Arbeitsstudium und Betriebsorganisation" im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Der Reha-Vorbereitungslehrgang dauerte vom 8.3.2010 bis zum 20.6.2010 und die Weiterbildung vom 21.6.2010 bis zum 20.6.2012 und wurde im BFW E durchgeführt. Die Teilnahme erfolgte jeweils als Pendler. Am 18.3.2010 machte der Kläger erstmalig für die Strecke von 175 Kilometern (km) die Zahlung von Fahrkosten für die Fahrt von seinem damaligen Wohnort (X 00 in M) zum BFW E (I-Straße 00 in ...