Entscheidungsstichwort (Thema)
Eine Krankenkasse ist im Rechtsstreit gegen die Bundesagentur für Arbeit auf Gewährung von Arbeitslosengeld notwendig beizuladen, wenn die Zahlung von Krankengeld in Betracht kommt. Arbeitslosengeldanspruch. Verfügbarkeit. Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. notwendige Beiladung und ggf Verurteilung der Krankenkasse. keine bindende Ablehnung des Krankengeldanspruches. anderweitige Rechtshängigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Begehrt der Kläger die Gewährung von Arbeitslosengeld für einen Zeitraum, für welchen die Krankenkasse die (weitere) Zahlung von Krankengeld mit einem nicht bindend gewordenen Bescheid abgelehnt hat, ist im Rechtsstreit gegen die Bundesagentur für Arbeit die Krankenkasse nach § 75 Abs. 2 2.Alt. SGG notwendig beizuladen und ggfs. nach § 75 Abs. 5 SGG zu verurteilen. Eine zeitlich nach der Klage gegen die Bundesagentur für Arbeit erhobene Klage gegen die Krankenkasse ist wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig.
2. Aus der Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit kann allein nicht auf den Wegfall der objektiven und subjektiven Verfügbarkeit geschlossen werden.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 09.05.2011 - S 9 AL 81/11 - aufgehoben. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren bewilligt und es wird ihm Rechtsanwältin A M , H str. …, B , beigeordnet.
2. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Dem Kläger ist Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu bewilligen. Die Voraussetzungen des § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) liegen vor. Der Kläger ist bedürftig und seine Rechtsverfolgung erscheint nicht mutwillig. Auch bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. So kann Prozesskostenhilfe durchaus verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Hingegen ist eine hinreichende Aussicht auf Erfolg zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Klärung entscheidungserheblicher Tatsachen abhängt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R -, SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).
Ausgehend von diesen Maßstäben kommt der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) gegen den Bescheid der Beklagten vom 19.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2011 eine hinreichende Aussicht auf Erfolg zu. Ob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) zutreffend ab 17.01.2011 aufgehoben hat, lässt sich ohne weitere Ermittlungen nicht klären.
Die Verfügbarkeit des Klägers (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III -) war mit Ablauf des 16.01.2011 (Ende der Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit gem. § 126 SGB III und der hierdurch fingierten Verfügbarkeit) nicht bereits deshalb weggefallen, weil er weiter arbeitsunfähig war. Verfügbarkeit ist ein komplexer Rechtsbegriff, der die Beachtung zahlreicher Tatsachen (etwa die Fähigkeit zur Ausübung einer versicherungspflichtigen Tätigkeit [objektive Verfügbarkeit und Erreichbarkeit] und die Arbeitsbereitschaft [subjektive Verfügbarkeit]) erforderlich macht. Aus der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gegenüber der Beklagten kann allein nicht auf einen Wegfall der objektiven Verfügbarkeit (§ 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III) geschlossen werden. Krankheitsbedingt stand der Kläger der Arbeitsvermittlung nur dann nicht (mehr) zur Verfügung, wenn keine ihm zumutbare Beschäftigung in Betracht kam. Schloss die Krankheit nur bestimmte Verrichtungen aus, die möglicherweise seine letzte Beschäftigung kennzeichnen, konnte er aber einer sonstigen zumutbaren Beschäftigung nachgehen, die er auch ausüben durfte, so stand er der Arbeitsvermittlung objektiv zur Verfügung. Zur Feststellung des Umfangs zumutbarer Arbeiten hat die Beklagte - ebenso wie das Sozialgericht (SG) - das tatsächliche Leistungsvermögen des Arbeitslosen eigenständig zu ermitteln und festzustellen. Die Verwendung der Rechtsbegriffe "nicht arbeitsfähig" bzw. "nicht arbeitsbereit" ersetzt die nach dem Gesetz erforderlichen Tatsachenfeststellungen nicht (vgl. BSG, Urteil vom 21.09.1995 - 11 RAr 35/95 -, SozR 3-4100 § 105b Nr. 2 Rdnr. 24; Urteil vom 09.09.1999 - B 11 AL 1...