Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Aufhebung der Leistungsbewilligung bei Änderung der Verhältnisse. wesentliche Änderung hinsichtlich des Pflegebedarfs. Fehlerhaftigkeit der ursprünglichen Bewilligung. Anwendbarkeit von § 48 SGB 10
Leitsatz (amtlich)
Die Bewilligung von Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II ist nach § 48 SGB 10 wegen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in vollem Umfang aufzuheben, wenn sich der Pflegebedarf erheblich verringert hat und jetzt keinerlei Pflegebedarf mehr vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn im Zeitpunkt der Bewilligung der Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II objektiv nur die Voraussetzungen der Pflegestufe I erfüllt waren.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 20.1.2010 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob die Beklagte der Klägerin zu Recht die Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II (vollständig) entzogen hat.
Die 1989 geborene Klägerin, die bei der Beklagten pflegeversichert ist, leidet an einer Mukoviszidose. In ihrem Gutachten vom April 1997 mit ergänzender Stellungnahme vom August 1997 gelangte die Ärztin Dr von M vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin ein durchschnittlicher täglicher Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 35 Minuten (Körperpflege: Waschen und Baden 20 Minuten; Ernährung: mundgerechte Zubereitung der Nahrung 15 Minuten) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von mehr als 60 Minuten vorliege. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung im Hinblick darauf ab. In dem anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Speyer (S 9 P 29/98) erkannte die Beklagte nach Einholung von Befundberichten unter dem 11.8.1999 einen Anspruch auf Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II ab dem 12.2.1996 an. Sie ging in diesem Schreiben von einem durchschnittlichen Hilfebedarf der Klägerin im Bereich der Körperpflege von 8 Minuten täglich für die erforderliche Stuhl- und Afterkontrolle, von 25 Minuten täglich im Bereich der Ernährung (Anhalten zum Essen), von 80 Minuten täglich im Bereich der Mobilität (Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen) und von 10 Minuten täglich für die Beaufsichtigung bei notwendigen Arztbesuchen aus. Daraus errechnete sie einen gesamten grundpflegerischen Aufwand von 143 Minuten täglich; dies beruhte insoweit auf einem Versehen, als die Addition der genannten Zeiten nur 123 Minuten ergibt. Die Beklagte fügte an, sie behalte sich eine Nachuntersuchung im Alter der Klägerin von 12 Jahren vor. Der Ansatz der 80 Minuten täglich (40 Minuten morgens und 40 Minuten abends) für die Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen beruhte darauf, dass die Beklagte im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten durchgeführte Behandlungsmaßnahmen durch die Pflegeperson (insbesondere Anleitung, Kontrolle und Motivation beim Inhaliervorgang, Abklopfen) als pflegeversicherungsrechtlich berücksichtigungsfähig ansah. Die Klägerin nahm das Anerkenntnis vom 18.8.1999 mit am 25.8.1999 beim SG eingegangenem Schreiben an. Unter dem 1.9.1999 erteilte die Beklagte einen Ausführungsbescheid über die Bewilligung von Leistungen der Pflegestufe II.
In ihrem Gutachten vom November 2001 schätzte OMD Dr D vom MDK den durchschnittlichen Hilfebedarf der Klägerin im Bereich der Grundpflege mit durchschnittlich 21 Minuten täglich (Teilwäsche Unterkörper 5 Minuten, Teilwäsche Hände/Gesicht 2 Minuten; Duschen 10 Minuten, Zahnpflege 2 Minuten; Ankleiden 2 Minuten) und im Bereich der Hauswirtschaft mit 45 Minuten täglich ein. Durch Bescheid vom 14.1.2002, geändert durch Bescheid vom 6.6.2002 und Widerspruchsbescheid vom 24.6.2002 entzog die Beklagte daraufhin die Pflegeleistungen mit Ablauf des 31.1.2002. Durch Urteil vom 18.2.2004 (S 3 P 115/02) hob das SG Speyer diese Bescheide auf. Zur Begründung führte es aus: Die Klage sei bereits deshalb erfolgreich, weil die Beklagte § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - (Anhörungspflicht) nicht beachtet habe. Im Übrigen seien die Voraussetzungen des § 48 SGB X nicht erfüllt. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse seit dem Bescheid vom 1.9.1999 sei nicht eingetreten. Dabei sei insbesondere von Bedeutung, dass die von der Beklagten seinerzeit in Ansatz gebrachte Zeit von 80 Minuten für das Aufstehen und Zubettgehen von Anfang an pflegeversicherungsrechtlich nicht berücksichtigungsfähig gewesen sei.
Durch Bescheid vom 20.4.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, aufgrund des Urteils des SG vom 18.2.2004 zahle sie der Klägerin ab dem 1.2.2002 ein Pflegegeld in Höhe von 410,-- € monatlich unter der Voraussetzung, dass die Pflegeperson bei Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu einer zeitlich ausreichenden Pflege (Grundpflege und hauswirtschaftliche Verso...