Entscheidungsstichwort (Thema)
Verrechnung einer Forderung eines Sozialleistungsträgers nach einer bereits erfolgten Pfändung
Leitsatz (amtlich)
1. Nach einer bereits erfolgten Pfändung ist die Verrechnung nach § 52 SGB I dem Pfändungsgläubiger gegenüber als insoweit "neuem" Gläubiger zu erklären.
2. § 392 BGB macht davon keine Ausnahme. Im Fall des § 392 geht es nicht um die Frage, ob die Abgabe der Aufrechnungserklärung dem Vollstreckungsschuldner gegenüber auch nach zugunsten des Vollstreckungsgläubigers erfolgter Beschlagnahme der Hauptforderung zulässig ist, sondern bis zu welchem Zeitpunkt die Gegenforderung erworben sein muss, um eine bestehende Aufrechnungslage im Fall der Beschlagnahme der Hauptforderung fortdauern zu lassen.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden Ziffer 1 und 2 des Tenors des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Speyer vom 04.10.2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 832,70 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 9/10, der Kläger zu 1/10. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Der Streitwert wird auf 980,26 € festgesetzt.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Verrechnung einer Forderung der beigeladenen Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 2) mit der an den beigeladenen Versicherten (Beigeladener zu 1) gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung gegenüber einer Forderung des Klägers gegen den Beigeladenen zu 1 wegen eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung vorrangig ist.
1. Am 08.06.2012 stellte der Beigeladene zu 1 bei dem beklagten Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe für Versicherte - Rehabilitation. Vom 05.09.2012 bis 24.10.2012 befand sich der Beigeladene zu 1 - u.a. wegen eine schweren depressiven Episode - zur stationären medizinischen Rehabilitation in der Rehabilitationseinrichtung K -R , aus der er als arbeitsunfähig und mit der Einschätzung eines aufgehobenen Leistungsvermögens für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsstellenleiter sowie bzgl. des allgemeinen Arbeitsmarkts entlassen wurde. Mit Schreiben vom 23.11.2012 teilte die Krankenkasse des Beigeladenen zu 1 der Beklagten mit, dass nach Rücksprache mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung das Leistungsvermögen des Beigeladenen zu 1 unter 3 Stunden liege und daher zu prüfen sei, ob der Reha-Antrag nach § 116 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in einen Rentenantrag umzuwandeln sei. Das Dispositionsrecht nach § 51 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch sei eingeschränkt. Der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten bestätigte in einer ärztlichen Stellungnahme vom 08.01.2013, dass das Leistungsvermögen des Beigeladenen zu 1 unter 3 Stunden liege. Mit Bescheid vom 05.06.2013 bewilligte die Beklagte dem Beigeladenen zu 1 daraufhin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.06.2012 bis 30.04.2014, die mit Bescheid vom 14.01.2014 bis zum 30.04.2016 verlängert wurde.
Mit Schreiben vom 06.06.2013 (Eingang 14.06.2013) teilte die Beigeladene zu 2 der Beklagten mit, dass der Beigeladene zu 1 am 13.05.2013 Arbeitslosengeld beantragt habe und dass um Mitteilung gebeten werde, wenn eine Rente wegen Erwerbsminderung bewilligt werde.
Mit Schreiben vom 20.06.2013 (Eingang 24.06.2013) meldete die Beigeladene zu 2 bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von 828,30 € an. An den Beigeladenen zu 1 sei bis zum 23.06.2013 Arbeitslosengeld gezahlt worden. Da dieser ab dem 13.05.2013 von der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beanspruchen könne, sei ein Betrag von 828,30 € (überzahltes Arbeitslosengeld) nach § 103 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) von der Beklagten an die Beigeladene zu 2 zu erstatten. Soweit die Erstattung nicht in gleicher Höhe erfolgen könne, sei der Beigeladene zu 1 zur Erstattung des Differenzbetrags gemäß § 50 SGB X verpflichtet. Für diesen Fall werde die Beklagte ermächtigt, den Differenzbetrag gemäß § 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu verrechnen. Daneben bestehe gemäß § 335 Abs. 2 und Abs. 5 Drittes Buch Sozialgesetzbuch Anspruch auf Ersatz der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 13.05.2013 bis 23.06.2013 in Höhe von 143,45 € bzw. 21,29 €. Der festgestellte Erstattungsbetrag belaufe sich daher auf 993,04 €. Die überzahlte Leistung sei in folgender Höhe gezahlt worden: Vom 13.05.2013 bis 23.06.2013 täglich 49,49 €. Dem Schreiben war eine Berechnung des Erstattungsanspruchs beigefügt.
Mit Schreiben vom 04.07.2013 teilte die Beklagte der Beigeladenen zu 2 - auf deren Anfrage mit o.g. Schreiben vom 06.06.2013 - mit, dass dem Beigeladenen zu 1 bereits mit Bescheid vom 05.06.2013 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.06.2012 bis 30.04.2014 bewilligt worden sei.
Zur Anmeldung eines Erstattungsanspruchs durch die Beigeladene zu 2 mit o.g. Schreiben vom 20.06.2013 teilte die Beklagte der Beigeladenen zu 2 mit weiterem Schre...