Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme. Verhaltenstherapie mit heilpädagogischen Maßnahmen bei autistischem Kind. Krankheitsbekämpfung muss im Vordergrund stehen. keine Erweiterung der Leistungsverpflichtung durch § 30 SGB 9
Leitsatz (amtlich)
1. Kosten einer Verhaltenstherapie mit heilpädagogischen Maßnahmen bei einem autistischen Kind sind von der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann zu übernehmen, wenn die Krankheitsbekämpfung im Vordergrund steht (Anschluss an BSG vom 31.3.1998 - B 1 KR 12/96 R = Die Leistungen Beilage 1999, 16; BSG vom 3.9.2003 - B 1 KR 34/01 R = SozR 4-2500 § 18 Nr 1).
2. Durch die Regelungen in § 30 SGB 9 wird die Leistungsverpflichtung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erweitert. Die Träger der Jugendhilfe und der Sozialhilfe werden nicht grundsätzlich von ihrer Verpflichtung zur Kostentragung entbunden.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 16.01.2004 - S 13 KR 410/01 - wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von verhaltenstherapeutischen und heilpädagogischen Leistungen.
Der am ... geborene und bei der Beklagten versicherte Kläger leidet an einer frühkindlichen autistischen Störung. Vom dritten bis fünften Lebensjahr erhielt er therapeutische Behandlungen zum Aufbau einer emotionalen Beziehung zu seiner Mutter und er besuchte einen Förderkindergarten der Lebenshilfe mit Ergotherapie und Kommunikationstraining. Seine intellektuelle Begabung ist altersentsprechend (Bericht der Klinik für Kinderneurologie und Sozialpädiatrie M vom 03.04.2000).
Im August 2000 wurde er in die private L -Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung eingeschult. Auf Grund der Fortschritte des Klägers empfahlen die Lehrer eine Umschulung in eine Regelgrundschule im Wege der Einzelintegration und mit Lernbegleitung durch einen Integrationshelfer. Im Zeitraum vom 10.04.2002 bis zum 19.01.2003 besuchte er die E -Grundschule an zwei Vormittagen in der Wochen und an den anderen Tagen und nachmittags weiterhin die L -Schule. Seit dem 20.01.2003 war ein täglicher Besuch der Grundschule möglich und zum Schuljahr 2005/2006 wechselte der Kläger in eine Hauptschule. Der Beigeladene als Träger der Jugendhilfe bewilligte die Übernahme der Kosten einer Integrationshilfe ab Januar 2003 im Wege der Eingliederungshilfe nach § 35 a Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII).
Der Kläger beantragte im September 1999 bei dem Beigeladenen die Übernahme der Kosten einer therapeutischen Förderung im Therapiezentrum für Autistische Kinder, Jugendliche und Erwachsene der Arbeiterwohlfahrt e.V. in M . Dort wird nach Erstellung eines individuellen Therapie- und Förderprogramms eine Verhaltenstherapie mit heilpädagogischen Maßnahmen und enger Einbindung der Eltern durchgeführt. Als ständige Mitarbeiter sind eine Dipl.-Psychologin, eine Dipl.-Pädagogin, ein Dipl.-Sozialpädagoge, ein Dipl.-Sozialpädagoge mit der Zusatzqualifikation Psychomotorik und eine Bürokraft tätig. Es besteht eine Vereinbarung vom 01.12.2001 zum Leistungsangebot und zum Kostensatz mit dem Stadtjugendamt Mannheim. Eine Vereinbarung mit dem Beigeladenen ist nicht gegeben. Das Therapiezentrum ist nicht gemäß § 119 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern ermächtigt.
Der Beigeladene lehnte die Übernahme von Kosten der Behandlungen in dem Therapiezentrum M als Eingliederungshilfe durch Bescheid vom 07.04.2000 ab. Im Widerspruchsverfahren führte der Arzt des Gesundheitsamtes W am 18.04.2001 aus, dass die beantragte therapeutische Förderung dringend erforderlich sei und eine andere Behandlungsmöglichkeit ausscheide. Es gehe um die Behandlung einer Krankheit. In einer Stellungnahme vom 13.05.2002 bestätigten der Arzt W und die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. R vom Gesundheitsamt die Notwendigkeit der angestrebten Therapie. Daraufhin erklärte sich der Beigeladene als Träger der Jugendhilfe im Juli 2002 bereit, die Kosten von zwei monatlichen Behandlungen im Therapiezentrum M als Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII zu übernehmen. Mit Bescheid vom 13.11.2003 erteilte der Beigeladene eine Kostenzusage für monatlich drei, mit Bescheid vom 06.09.2004 für monatlich fünf und mit Bescheid vom 11.11.2004 für monatlich fünfmal je 1,5 Therapieeinheiten.
Der Kläger wird seit 31.10.2002 im Therapiezentrum M gefördert. Der Beigeladene erklärte sich gegenüber dem Therapiezentrum am 24.07.2002 mit der Übernahme von Kosten in Höhe von 56,24 € für je 1,5 Fördereinheiten einverstanden. Zusatzleistungen wie die Teilnahme an Hilfeplangesprächen seien gesondert in Rechnung zu stellen. Die Schwerpunkte der Förderung des Klägers liegen in den Bereichen Sprache und Lernen, um seine Kommunikationsfähigkeit zu erweitern. Außerdem wird das Spielverhalten, die Selbstständigkeit, das Sozialverhalten bei gleichzeitigem Abbau von Verh...