Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. wichtiger Grund. Vorstand einer Profifußballmannschaft. drohende persönliche Beeinträchtigung durch gewaltbereites Fanumfeld

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Vorstandsvorsitzender eines Vereins, der eine Profifußballmannschaft unterhält, kann einen wichtigen Grund zur vorzeitigen Beendigung seines Anstellungsverhältnisses haben, wenn er andauernden Beschimpfungen und Protesten seitens des Fanumfeldes ausgesetzt ist. Die Feststellung einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe ist dann nicht gerechtfertigt.

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 28.07.2010 - S 9 AL 184/08 - und der Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 19.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2008 aufgehoben sowie der Bewilligungsbescheid vom 19.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2008, der Bescheid vom 09.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2008 und der Bescheid vom 08.07.2008 abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld auch für den Zeitraum vom 01.05. bis 23.07.2008 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

3. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe und die Minderung der Anspruchsdauer seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg). Der 1963 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen, war zunächst in diesem Beruf tätig und dann seit 1998 als Journalist sowie von 1999 bis Ende 2006 als Redakteur bei einem Verlag und einer Zeitung beschäftigt. Ab 01.01.2007 wurde er mit Anstellungsvertrag (geändert durch Vertrag vom 23.01.2008) zum Vorsitzenden des Vorstandes des Vereins S S von 1899 e.V. (Verein) bestimmt und war für die Gesamtorganisation und insbesondere für die kaufmännische Seite zuständig. Der Vertrag war befristet bis zum 30.06.2009, endete jedoch zum 31.12.2008, falls der Verein nicht die sportliche Qualifikation für die "eingleisige dritte Liga" erreichte. Er verlängerte sich um jeweils ein Jahr, wenn er nicht mit einer Frist von mindestens 6 Monaten zum Ablauf gekündigt wurde (§ 2 Abs. 1). Die Bestellung des Klägers zum Vorsitzenden des Vorstandes konnte durch Beschluss des Aufsichtsrates jederzeit widerrufen werden, unbeschadet seiner Entschädigungsansprüche aus diesem Vertrag. Der Widerruf galt als Kündigung des Anstellungsvertrages zum nächstzulässigen Zeitpunkt (§ 2 Abs. 3). Nach einer Kündigung des Vertrages war der Verein berechtigt, den Kläger von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen (§ 2 Abs. 4). Der Verein als Sportverein unterhielt in den Jahren 2007 und 2008 eine Profi-Fußballmannschaft, die in der Spielzeit 2007/2008 um die Qualifikation für die eingleisige dritte Profi-Fußballliga spielte. Nach der Satzung bestand der Vorstand aus mindestens drei Personen und der Vorsitzende des Vorstandes wurde vom Aufsichtsrat mit einer Mehrheit von 2/3 seiner Stimmen bestellt. Der Aufsichtsrat hatte dafür zu sorgen, dass die Anstellungsverträge der hauptamtlichen Vorstandsmitglieder mit deren Amtsperiode endeten. Eine stillschweigende Verlängerung des Amtes ohne entsprechenden Aufsichtsratsbeschluss war ausgeschlossen. Der Aufsichtsrat konnte eine außerordentliche Mitgliederversammlung mit dem Ziel einberufen, den Vorstand vorzeitig abzuberufen, sofern nach seiner Auffassung ein wichtiger Grund vorlag. Bestand mit dem Vorstandsmitglied ein Anstellungsverhältnis, so durfte dieses sein Amt nur dann niederlegen, wenn es sich dabei auf einen wichtigen Grund berief. Erfolgte die Amtsniederlegung aus einem wichtigen Grund, den der Verein zu vertreten hatte, so war der Vorstand nicht genötigt, das Anstellungsverhältnis fristlos zu kündigen. Die Vertretung des Vereins gegenüber dem Vorstand und seinen Mitgliedern oblag dem Aufsichtsrat, der dabei von seinem Vorsitzenden und einem weiteren Mitglied des Aufsichtsrats vertreten wurde. Der Vorstand entschied eigenverantwortlich über die ideellen, sportlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Belange des Vereins, soweit diese Befugnisse nicht satzungsgemäß anderen Vereinsorganen vorbehalten waren. Ihm oblag die Darstellung des Vereins in der Öffentlichkeit (§ 11 der Satzung). Der Aufsichtsrat - bestehend aus 7 Mitgliedern - hatte die Aufgabe, die Wahrnehmung der Vereinsaufgaben durch den Vorstand zu kontrollieren. Er bestellte den Vorstand und berief ihn ab (§ 10 der Satzung). Über das Vermögen des Vereins wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Siegen am 27.06.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Verein besteht nach wie vor weiter. Im Jahr 2008 war Vorsitzender des Aufsichtsrats Herr H und neben dem Kläger waren weitere Vorstandsmitglieder Herr Z , zuständig für den sportlichen Bereich und Herrn R , zuständig für den Finanzbereich. Die Profi-Fußballmannschaft erreichte im Jahr 2008 nicht die Qualifikation...

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