Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherungspflicht. Pflegeperson. Ermittlung des zeitlichen Umfangs der Pflegetätigkeit. Mindeststundenzahl. Berücksichtigung von über die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung hinausgehenden ergänzenden Pflegeleistungen
Orientierungssatz
Aus der in § 19 S 1 SGB 11 erfolgten Bezugnahme auf § 14 SGB 11 ist nicht abzuleiten, dass die Mindestpflegezeit nur mit Hilfeleistungen bei den in § 14 SGB 11 aufgeführten Verrichtungen erfüllt werden kann. Vielmehr ist § 19 SGB 11 im Zusammenhang mit § 4 Abs 2 S 1 SGB 11 zu sehen, wonach die Leistung der Pflegeversicherung bei häuslicher und teilstationärer Pflege die familiäre, nachbarschaftliche und ehrenamtliche Hilfe ergänzen.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15.01.2008 aufgehoben, der Bescheid der Beklagten vom 06.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2006 und des Bescheides vom 14.03.2008 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Regelaltersrente unter Berücksichtigung einer Zeit vom 01.04.1995 bis 13.08.1998 als Rentenversicherungspflichtzeit nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI zu gewähren.
2. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Rechtszüge trägt die Beklagte.
Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Rentenversicherungspflicht der Klägerin in der Zeit der Pflege für ihren Vater nach dem Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI).
Die 1943 geborene Klägerin ist die Tochter des 1911 geborenen und ... 1998 verstorbenen O-J M (Pflegebedürftiger).
Ab 01.04.1995 gewährte die Pflegekasse (Beigeladene) dem Pflegebedürftigen Pflegegeld nach Pflegestufe I in Höhe von damals monatlich 400,00 DM. Der Bewilligung lag ein Gutachten der Internistin MD Dr. M-W vom 24.08.1995 zu Grunde, wonach der Pflegebedürftige Pflegeleistungen rund um die Uhr durch seine Angehörigen erfahre. Er lebe in ehelicher Gemeinschaft mit seiner Ehefrau, die ihn pflege und hierbei von ihrer Tochter, der Klägerin, unterstützt werde, die im Nachbarhaus lebe.
Im Mai 1998 beantragte die Klägerin für ihren Vater die Pflegestufe II, woraufhin der Facharzt für Innere Medizin Dr. W vom MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) ein Gutachten erstellte. Dieser führte nach einer Untersuchung des Pflegebedürftigen im Juli 1998 aus, der Pflegebedürftige werde rund um die Uhr durch Verwandte gepflegt, zusätzlich sei ein ambulanter Pflegedienst zweimal täglich im Einsatz. Der Pflegebedürftige sei zeitweise verwirrt und halte sich nur noch im Bett auf, wo auch sämtliche Pflege durchgeführt werde. Entsprechend dem Vorschlag des Dr. W bewilligte die Beigeladene Pflegeleistungen der Stufe II ab 01.05.1998.
Im Juni 2004 beantragte die Klägerin die Feststellung der Rentenversicherungspflicht als Pflegeperson auf Grund der Pflegetätigkeit für dem Pflegebedürftigen ab November 2002 im Umfang von 35 Wochenstunden. Zur Begründung legte die Klägerin eine Erklärung ihrer Mutter, I M, vor (Bl. 46 VA), wonach die Klägerin den Pflegebedürftigen von April 1995 bis August 1998 mindestens zwanzig Stunden die Woche gepflegt habe und zudem sie, die Mutter, zusätzlich ab dem Jahr 2002 im Umfang von ca. 30 bis 35 Stunden wöchentlich pflege.
Mit Bescheid vom 23.09.2004 führte die Beklagte aus, die Klägerin sei während der Pflege ihres Vaters (und anschließend der Mutter) nicht versicherungspflichtig nach § 3 S. 1 Nr. 1a SGB VI gewesen, da der von ihr ausgeübte Umfang der Pflegetätigkeit unter vierzehn Stunden in der Woche gelegen habe.
Nach Vorlage eines Pflegegutachtens des MDK über die Pflegedürftigkeit der Mutter der Klägerin vom 11.11.1984 erklärte sich die Beigeladene bereit, rückwirkend ab 01.09.2004 Rentenversicherungsbeiträge für die Klägerin wegen der Pflege der am 16.01.2005 verstorbenen Mutter zu entrichten.
Daraufhin nahm die Beklagte mit Bescheid vom 11.08.2005 ihren Bescheid vom 23.09.2004 zurück und stellte eine Rentenversicherungspflicht der Klägerin während der Zeit der Pflege für die Mutter vom 01.11.2002 bis 16.01.2005 fest.
Mit weiterem Bescheid vom 06.01.2006 (Bl. 112 VA) lehnte die Beklagte die Feststellung der Rentenversicherungspflicht der Klägerin für die Zeit der Pflege des pflegebedürftigen Vaters vom 01.04.1995 bis 13.08.1998 ab, da nach den Feststellungen der Pflegekasse der Pflegeaufwand der Klägerin unter vierzehn Stunden in der Woche gelegen habe. Nach Anhörung der Beigeladenen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2006 zurück.
Die hiergegen vor dem Sozialgericht Koblenz erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 15.01.2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, die Zeit vom 01.04.1995 bis 13.08.1998 als Rentenversicherungszeit der Klägerin festzustellen. Nach den vorliegenden Unterlagen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Kl...