Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. sonstiger Versicherungspflichtiger. Versicherungspflicht bei Kindererziehungszeiten. Übertragung von Anteilen der Elternzeit bis zum 8. Lebensjahr- Begrenzung auf die Zeit bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres. keine erweiternde Auslegung. Verfassungsmäßigkeit. Europarechtskonformität

 

Orientierungssatz

Eine erweiternde Auslegung von § 26 Abs 2a SGB 3 dergestalt, dass Erziehungszeiten über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus Berücksichtigung finden können, kommt nicht in Betracht. Die Regelung ist nicht verfassungswidrig und eine erweiternde Auslegung gebietet auch europäisches Recht nicht.

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 27.05.2014 - S 13 AL 170/12 - wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab dem 01.07.2012 bis 30.06.2013.

Die Klägerin war vom 01.09.2000 bis 30.06.2012 bei der S L GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin) beschäftigt. Zuletzt war sie als Geschäftsführerin in der Filiale M eingesetzt. Im Jahr 2003 hat die Klägerin ihr erstes Kind und 2008 ihr zweites Kind entbunden. Nach der Geburt ihres ersten Kindes hat die Klägerin zunächst keine Elternzeit in Anspruch genommen, übertrug jedoch ein Elternzeitjahr über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus gemäß § 15 Abs 2 Satz 4 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG). Nach der Geburt des zweiten Kindes hat die Klägerin zunächst vom 09.04.2008 bis 28.02.2009 und sodann vom 09.04.2010 bis 30.06.2012 Elternzeit in Anspruch genommen. Wiederum übertrug sie ein Jahr Elternzeit über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus. Nach dem Ende der Elternzeit beantragte die Klägerin eine Teilzeittätigkeit gemäß § 8 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG). Die ehemalige Arbeitgeberin der Klägerin lehnte dies ab.

In der Folgezeit schlossen die Klägerin und ihre ehemalige Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht Mainz ( /11; Beschluss vom 13.01.2012) einen Vergleich, wonach sich die Klägerin und ihre ehemalige Arbeitgeberin einig sind, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Elternzeit zum 30.06.2012 sein Ende findet (Ziffer 1 des Vergleichs). Die Klägerin beantragte und erhielt für die Zeit vom 01.04.2012 bis 30.06.2012 die übertragene Elternzeit für ihren am 09.04.2008 geborenen Sohn und verzichtete gleichzeitig bis zum 30.06.2012 auf eine Teilzeittätigkeit während der Elternzeit (Ziffer 2 des Vergleichs). Zudem war die Klägerin nach Ziffer 8 des Vergleichs berechtigt, das Arbeitsverhältnis vorzeitig durch einseitige schriftliche Erklärung zu beenden.

Am 24.05.2012 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg ab dem 01.07.2012.

Mit Bescheid vom 04.06.2012 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alg ab dem 01.07.2012 ab. Die Klägerin sei in den letzten zwei Jahren vor dem 01.07.2012 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen und habe daher die Anwartschaft nach §§ 142, 143 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) nicht erfüllt.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Gemäß § 26 Abs 2a SGB III sei auch versicherungspflichtig, wer ein Kind erziehe, welches das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Ihr zweites Kind habe das dritte Lebensjahr am 09.04.2011 vollendet, so dass innerhalb der Rahmenfrist nur 9 1/3 Monate der Elternzeit als versicherungspflichtige Zeit gelten würden. Damit erfülle sie, obwohl sie lediglich die gesetzliche Elternzeit in Anspruch genommen habe, den Anspruch auf Gewährung von Alg nicht. Die nationalen Regelungen stünden allerdings in Widerspruch zu europäischem Recht. Nach § 5 Abs 5 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub in Verbindung mit (iVm) Art 1 Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 08.03.2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG (im Folgenden: Richtlinie 2010/18/EU), die bis zum 08.03.2012 in nationales Recht umzusetzen gewesen sei, müsse mit Blick auf die Elternzeit sozialversicherungsrechtliche Kontinuität gewährleistet werden. Die Norm sei zudem im Lichte der Art 33, 34 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Grundrechte-Charta)auszulegen. Vorsorglich werde zugleich ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch geltend gemacht. Sie habe sich am 09.01.2011 erstmals an die Beklagte gewandt, am 17.01.2012 ein Beratungsgespräch mit dieser geführt und sich am 04.04.2012 telefonisch unter der Service-Telefonnummer für Arbeitnehmerfragen beraten lassen. Am 05.04.2012 habe sie sich sodann telefonisch arbeitsuchend gemeldet und am 20.04.2012 ihre Unterlagen abgegeben. Sodann habe sie am 02.05.2012 an einer Informations-Veranstaltung für Berufsrückkehre...

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