Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung wegen Umzugs. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Wechsel der örtlichen Zuständigkeit. Nichtanwendbarkeit der Nahtlosigkeitsregelung des § 2 Abs 3 SGB 10. keine fortgesetzte Zuständigkeit des unzuständigen Grundsicherungsträgers für Leistungen für Unterkunft und Heizung. Nichtzulassungsbeschwerde. Grundsätzliche Bedeutung. Divergenz. Fortbestehen des Anspruchs auf Leistungen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Nahtlosigkeitsregelung des § 2 Abs 3 SGB 10 bewirkt bei einem Umzug keine fortgesetzte Zuständigkeit für KdU-Ansprüche des SGB 2-Leistungsberechtigten gegen den örtlich unzuständig gewordenen Leistungsträger (vgl LSG Schleswig vom 12.4.2011 - L 6 AS 45/10 = ZFSH/SGB 2011, 608).

 

Normenkette

SGB II §§ 22, 36 S. 2; SGB X § 2 Abs. 3, § 48 Abs. 1; SGG § 144 Abs. 2

 

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen das Urteil des SG Dessau-Roßlau vom 12. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

 

Gründe

I.

Der Beklagte wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 12. Juli 2013, das den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. April 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom selben Tage überwiegend aufgehoben hat.

Der am ... 1984 geborene Kläger steht seit dem Jahr 2005 im Leistungsbezug des Beklagten nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Mit Bescheid vom 16. September 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 Regelleistungen in Höhe von 359,00 EUR sowie Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 321,21 EUR (Gesamthöhe: 680,21 EUR). Mit Sanktionsbescheid vom 4. Februar 2010 senkte der Beklagte die Regelleistung für die Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2010 um 30 % (107,70 EUR). Am 4. März 2010 stellte der Kläger beim Beklagten einen Weiterbewilligungsantrag. Nach einem Telefonvermerk vom 16. März 2010 wurde der Beklagte vom Jobcenter D.-R. darauf hingewiesen, dass der Kläger am 1. März 2010 aus der Wohnung T. Straße ... in ... B.-W. ausgezogen und seinen neuen Wohnsitz in der Z.-straße ... in ... D.-R. genommen habe. Der Kläger habe am 11. März 2010 beim Jobcenter D.-R. einen Antrag auf Bewilligung von SGB II-Leistungen gestellt. Nach einer Bestätigung der Stadtverwaltung D.-R. vom 11. März 2010 meldete sich der Kläger am 1. März 2010 im Ortsteil R. an.

Mit Schreiben vom 17. März 2010 hörte der Beklagte den Kläger wegen Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse an und teilte ihm seine Absicht mit, für die Zeit vom 1. bis 10. März 2010 Regelleistungen in Höhe von 43,08 EUR und KdU in Höhe von 321,21 EUR (Zeitraum 1. bis 31. März 2010) zurückzuverlangen. Mit dem auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gestützten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. April 2010 verlangte der Beklagte vom Kläger die Rückzahlung von insgesamt 364,29 EUR. Hiergegen legte der Kläger, nunmehr anwaltlich vertreten, am 10. Mai 2010 Widerspruch ein und machte geltend: Der Beklagte könne lediglich einen Erstattungsanspruch gegen das Jobcenter D.-R. verfolgen. Der Sanktionsbescheid vom 8. Februar 2010 sei dem Kläger unbekannt und ihm nie zugegangen.

Am 27. Juli 2010 nahm der Beklagte den Sanktionsbescheid zurück. Mit Schreiben vom 27. Juli 2010 machte er gegenüber dem Jobcenter D.-R. einen Erstattungsanspruch gemäß § 103 SGB X in Höhe von 143,60 EUR (Regelleistung) geltend. Mit Bescheid vom 27. Juli 2010 änderte der Beklagte den Bescheid vom 9. April 2010 ab und beschränkte den Erstattungsbetrag auf die KdU für März 2010 in Höhe von 321,21 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom selben Tage wies der Beklagte den weitergehenden Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Ab dem 1. März 2010 hätten dem Kläger keine KdU-Leistungen mehr zugestanden. Die Berücksichtigung der KdU nach § 22 SGB II bestehe nur für eine tatsächlich genutzte Wohnung. Diese habe ab 1. März 2010 im Zuständigkeitsbereich D.-R. gelegen, so dass der Kläger zu Unrecht Unterkunftskosten in Höhe von 321,21 EUR erhalten habe.

Hiergegen hat der Kläger am 26. August 2010 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben und vorgetragen: Die Erstattungsforderung könne allenfalls 7,48 EUR betragen. Dieser Betrag setze sich aus der Differenz der KdU-Kosten für die alte Wohnung in B.-W. (321,21 EUR) zu denen der neuen Wohnung in D.-R. von 313,53 EUR zusammen. Das Jobcenter D.-R. habe erst ab dem 11. März 2010 Leistungen erbracht, so dass einem Erstattungsanspruch des Beklagten § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X entgegenstehe. Der Beklagte könne einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Jobcenter D.-R. verfolgen, habe jedoch keinen Anspruch gegen den Kläger.

In einem gerichtlichen Hinweissc...

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