Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Arbeitslosengeldes. Ausbildungsvergütung bei betrieblicher Ausbildung als Arbeitsentgelt. keine fiktive Bemessung. Bemessungszeitraum. keine Berücksichtigung nachgezahlten, aber nicht rechtzeitig abgerechneten Arbeitsentgeltes. Abschaffung der fiktiven Bemessung bei betrieblicher Ausbildungsvergütung ab 1.1.2005. fehlende Übergangsregelung. Verfassungsmäßigkeit. Analogie. Regelungslücke. Ungleichbehandlung. Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers
Leitsatz (amtlich)
1. Werden Auszubildende im Anschluss an eine betriebliche Ausbildung arbeitslos, ist der Leistungsbemessung das im Bemessungszeitraum erzielte beitragspflichtige Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Dabei ist die in einer betrieblichen Ausbildung gezahlte Ausbildungsvergütung beitragspflichtiges Arbeitsentgelt iS von § 131 SGB 3. Für eine Bemessung unter Zugrundelegung eines fiktiven Arbeitsentgelts entsprechend der Beschäftigung, die der Arbeitslose aufgrund seiner Ausbildung ausüben könnte, fehlt die gesetzliche Grundlage.
2. Eine analoge Anwendung des § 132 SGB 3, der die fiktive Leistungsbemessung regelt, scheidet bei Arbeitslosigkeit nach einer betrieblichen Ausbildung mit Bezug von Ausbildungsvergütung aus. Es fehlt schon an einer unbewussten Regelungslücke.
3. Die Nichtanwendung der fiktiven Leistungsbemessung für Arbeitslose, die nach einer betrieblichen Ausbildung mit Anspruch aus Ausbildungsvergütung arbeitslos geworden sind, stellt keine grundrechtwidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den Arbeitslosen dar, die im Anschluss an eine außerbetriebliche Ausbildung ohne Anspruch auf Ausbildungsvergütung arbeitslos geworden sind und bei denen die Leistung nach einem fiktiven Arbeitsentgelt bemessen wird.
Orientierungssatz
1. Nach Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung zugeflossenes Arbeitsentgelt kann gem § 130 Abs 1 SGB 3 beim Bemessungsentgelt nur berücksichtigt werden, wenn die Zahlung (nachträglich) für einen Zeitraum erfolgt ist, der im Übrigen bei Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis schon abgerechnet war und deshalb vom Bemessungszeitraum umfasst wurde.
2. Eine Leistungsbemessung nach der Regelung des § 134 Abs 2 Nr 2 SGB 3 in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung kann nicht erfolgen, wenn der Arbeitslosengeldanspruch erst im Jahr 2005 entstanden ist. Das Fehlen einer Übergangsregelung für die Fälle, in denen die Anwartschaft schon in der Zeit vor dem 1.1.2005 erworben wurde, verletzt nicht Verfassungsrecht.
Normenkette
SGB III a.F. § 130 Abs. 1, §§ 131-132, 134 Abs. 2 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen und die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Anspruches des Klägers auf Arbeitslosengeld.
Der am .. 1984 geborene Kläger meldete sich bei der Beklagten am 26. August 2005 arbeitslos mit Wirkung zum 1. September 2005. Er gab an, dass er bei der Firma K. vom 2. September 2002 bis zum 15. Juli 2005 als Auszubildender tätig war. Im Anschluss daran schloss er mit der Firma einen befristeten Arbeitsvertrag vom 18. Juli 2005 bis zum 31. August 2005 als Arbeiter in der Produktion. Nach dem Arbeitsvertrag verpflichtete er sich, Nacht- und Wechselschicht / Sonntagsarbeit / Mehr- und Überstundenarbeit zu leisten, soweit dies gesetzlich zulässig sei. Er erhielt für seine Tätigkeit ein Entgelt von 6,20 EUR pro Stunde. Die Firma K. bescheinigte dem Kläger am 30. August 2005 das bis zum Ausscheiden abgerechnete Arbeitsentgelt. Danach verdiente der Kläger als Auszubildender im August 2004 410,00 EUR, von September 2004 bis Juni 2005 monatlich 505,00 EUR und im Juli 2005 841,58 EUR. Aus diesen beim Ausscheiden abgerechneten Monaten ergab sich ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von 6.421,58 EUR. Darin enthalten war im Dezember 2004 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 50,00 EUR und im Oktober 2004 ein Urlaubsgeld in Höhe von 70,00 EUR sowie im Juli 2005 ein Urlaubsgeld in Höhe von 93,08 EUR.
Mit Bescheid vom 6. September 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 8,53 EUR täglich und legte hierbei unter Berücksichtigung des von September 2004 bis 31. Juli 2005 erzielten Entgeltes ein Bemessungsentgelt in Höhe von 18,00 EUR täglich zugrunde.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 21. September 2005 Widerspruch ein, den er wie folgt begründete: Es sei eine unzutreffende Berechnungsgrundlage für die Arbeitslosengeldbewilligung gewählt worden, weil nur der Verdienst bis zum 31. Juli 2005, nicht aber bis zum 31. August 2005 zugrunde gelegt wurde. Das Entgelt für den Monat August 2005 sei vom Arbeitgeber abgerechnet und ausgezahlt worden. Zum Beleg legte der Kläger die Lohn/Gehaltsabrechnung vom 7. September 2005 für den Abrechnungsmonat August 2005 vor. Danach erzielte der Kläger für den Monat August 2005 einen Tariflohn in Höhe von 1.041,60 EUR und Urlaubse...