Verstärkt durch Krisen wie eine Pandemie, aber auch völlig unabhängig davon durch die Tatsache bedingt, dass viele Unternehmen ihre Mitarbeitenden weltweit im Einsatz haben, wird gute Führung insbesondere über Entfernungen hinweg zum Schlüsselfaktor für erfolgreiche Mitarbeiterbindung. Unternehmen wie z. B. der Versandhändler Otto haben viele Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice. Der IT-Chef Müller Wünsch berichtete 2020 auf der Handelsblatt-Tagung zu IT-Management, dass Führung aus der Distanz gelernt sein muss. Die Kommunikation, so der IT-Manager, sei dabei zentral. So werden die Teams regelmäßig zu einem virtuellen "Good Morning Coffee" eingeladen, um im Alltag mit den vielen Videokonferenzen einen Freiraum für Gespräche jenseits des Geschäfts zu schaffen. Egal, in welchem Ressort, in welcher Abteilung, die dauerhafte Steuerung virtueller Teams ist eine Herausforderung.
Mit Beginn der Corona-Pandemie und der inzwischen gewachsenen Selbstverständlichkeit der Tätigkeit im Homeoffice (HO) sind neue Herausforderungen auf die Arbeitgeber zugekommen. In vielen wissensbasierten Organisationsbereichen haben die Mitarbeitenden die Arbeit im HO als so selbstverständlich und angenehm erlebt, dass sie nicht mehr ins Büro zurück wollen. Deutschland hat traditionell einen hohen Anteil produktionsnaher Tätigkeiten am BIP (Bruttoinlandsprodukt) und auch hier steigt der Anteil der wissensbasierten Berufe. Noch stärker steigt der Anteil der Wissenarbeiter im wachsenden Dienstleistungssektor und beide Entwicklungen führen zu einer arbeitsteiligen Möglichkeit der Zusammenarbeit, die für das Arbeiten im HO förderlich war und ist.
Viele Mitarbeitende wollen deshalb dauerhaft im HO bleiben, ganz im Gegenteil zu den Wünschen vieler Arbeitgeber, die damit eine Gefahr der Entfremdung ihrer Mitarbeitenden vom Unternehmen sehen. In größeren Organisationen ist der Druck der Mitarbeitenden jedoch so groß, dass sich Arbeitgeber zu einem Recht auf HO zu 70 % der Arbeitszeit einlassen, so im August 2022 durch Betriebsvereinbarung bei der Commerzbank beschlossen.
Die Unternehmen müssen sich dann überlegen, welche attraktiven Angebote sie der Belegschaft machen können, um auf freiwilliger Basis eine höhere Präsenz am Arbeitsplatz zu erreichen. Nur mit klassischen Benefits wird dies nicht zu erreichen sein.
Debatte mit den Mitarbeitern anstoßen
Es empfiehlt sich, eine sinnorientierte Debatte im Unternehmen mit den Beschäftigten darüber zu führen, anlässlich welcher Themen und Projekte eine zeitweise Anwesenheit vor Ort erforderlich ist, um das Wissen aller im gemeinsamen Brainstorming so zielorientiert und effizient sichtbar zu machen. Ferner muss die ökologische Diskussion geführt werden, wie wertvoll der Beitrag des Unternehmens und der Beschäftigten ist, durch die Arbeit im HO die Pendlerströme zu reduzieren und mehr Zeit für Arbeit und Freizeit zu gewinnen. Dies könnte eine Purpose-Frage für Unternehmen und Beschäftigte entfachen, die am Ende hohen Ertrag für die Mitarbeiterbindung zeigt.