Prof. Dr. jur. Tobias Huep
Zusammenfassung
Der Einsatz von Mitarbeitern im Ausland ist in den letzten Jahren zunehmend eine Selbstverständlichkeit und Notwendigkeit in vielen Unternehmen geworden. Um für beide Seiten Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen, sollten Mitarbeitereinsatz im Ausland auf einer klaren vertraglichen Grundlage beruhen. Zumindest längerfristige Versetzungen oder Entsendungen ins Ausland sind regelmäßig nicht vom allgemeinen Direktionsrecht des Arbeitgebers erfasst und bedürfen daher sowieso einer Vereinbarung. Aufgrund des grenzüberschreitenden Sachverhalts einer Auslandstätigkeit sind bei der Vertragsgestaltung einige Besonderheiten zu beachten ist.
In solchen internationalen Arbeitsrechtsbeziehungen stellt sich u. a. die Frage nach dem sog. Vertragsstatus, also nach dem auf den Arbeitsvertrag anwendbaren Recht. Ohne eine vertragliche Regelung zum anwendbaren Recht, gilt grundsätzlich das Recht des Staates, in welchem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Weitgehend können die Parteien das anwendbare Recht jedoch auch frei wählen.
Besondere Dokumentationspflichten im Fall einer Auslandstätigkeit regelt § 2 Abs. 2 NachwG. Vertragsänderungen unterliegen einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB.
Die Bestimmung des geltenden Vertragsstatuts richtet sich für die meisten EU-Staaten nach der Rom I-Verordnung, Teilbereiche aber auch nach der Rom II-Verordnung sowie der Brüssel Ia-Verordnung. Hilfsweise gilt das jeweilige nationale Kollisionsrecht.
1 Vertragliche Ausgestaltung
1.1 Erfordernis einer Vereinbarung
Um für beide Seiten Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen, sollte jeglicher Mitarbeitereinsatz im Ausland auf einer klaren vertraglichen Grundlage beruhen.
Die längerfristige Versetzung oder Entsendung ins Ausland wird regelmäßig vom allgemeinen Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht gedeckt sein. Es bedarf daher entweder
- einer wirksamen, sog. "erweiterten" Direktionsrechtsklausel,
- anderenfalls einer einvernehmlichen Vertragsänderung.
Allerdings zeichnet sich in der neueren Rechtsprechung eine Tendenz zu großzügigerer Auslegung des Direktionsrechts in Arbeitsverhältnissen ab, in denen Auslandseinsätze angesichts einer zunehmend global vernetzten Weltwirtschaft zur arbeitsrechtlichen Normalität werden. Eine Beschränkung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte im Inland ist dem Arbeitsvertrag als solchem nicht automatisch zu entnehmen. Entsprechende Einschränkungen können durch den Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge sowie grundsätzlich auch durch gesetzliche Regelungen eingeführt werden.
Die Versetzung ins Ausland unterliegt einer Ausübungskontrolle im Einzelfall. Dabei sind die Interessen der beiden Vertragsparteien gegeneinander abzuwägen. Beruht die Weisung, zukünftig an einem Arbeitsort im Ausland tätig zu sein, auf einer Organisationsentscheidung des Arbeitgebers, kommt dieser unternehmerischen Entscheidung – sofern sie nicht missbräuchlich oder willkürlich erscheint – besonderes Gewicht zu. Etwas anderes ergibt sich jedoch nicht, wenn die unternehmerische Entscheidung missbräuchlich oder willkürlich erscheint. Auf ihre Zweckmäßigkeit ist die unternehmerische Entscheidung nicht zu prüfen.
Sofern das Direktionsrecht umgekehrt keine ausreichende Rechtsgrundlage für den Einsatz im Ausland bietet, ist der Arbeitgeber auf eine umfassendere Neuregelung des Arbeitsvertrags angewiesen. Dies kann durch eine einvernehmliche Vertragsänderung erfolgen. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht bereit, müsste der Arbeitgeber eine Änderungskündigung erklären – deren Durchsetzung in der Praxis schwierig ist.
1.2 Vertragsmodelle
Bei der einvernehmlichen vertraglichen Änderung ist bei der rechtlichen Ausgestaltung von Entsendungen zwischen dem "Ein-" und dem "Zweivertragsmodell" (teilweise auch "Mehrvertragsmodell" genannt) zu unterscheiden.
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Das Einvertragsmodell lässt den bisherigen Arbeitsvertrag bestehen und modifiziert ihn lediglich im Hinblick auf die für den Auslandseinsatz relevanten Punkte. Dies werden regelmäßig die Änderung des Arbeitsorts, die Dauer des Auslandsaufenthalts sowie zusätzliche Entgelt- und Aufwendungsersatzansprüche sein. Hinsichtlich aller sonstigen Inhalte bleibt es bei den Regelungen im ursprünglichen Arbeitsvertrag. Typischer Anwendungsbereich ist eine zeitlich überschaubare Entsendung ins Ausland.
Beim Zweivertragsmodell wird der bisherige Arbeitsvertrag einvernehmlich ruhend gestellt. An seine Stelle tritt eine eigenständige Neuregelung als Entsendungsvertrag entweder mit dem bisherigen Arbeitgeber oder einem anderen Unternehmen – dies wird insbesondere bei Auslandseinsätzen in einem Konzernverbund der Fall sein.