Prof. Dr. jur. Tobias Huep
Mobbing ist weder ein klar konturierter juristischer Begriff noch eine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern die Beschreibung eines sozialen Phänomens der Anfeindung, Schikane und Diskriminierung, auf das mit den allgemeinen arbeitsrechtlichen Instrumenten und gesetzlichen Regelungen reagiert werden kann und muss. Mittlerweile ist der Begriff "Mobbing" umfassend in die Alltagssprache integriert und wird hier häufig vollkommen konturlos verwendet.
Mit Mobbing verwandte Erscheinungsformen
Gleiches gilt auch für verwandte Erscheinungsformen wie "Bossing", "Staffing" (als Schikanierung von Vorgesetzten durch untergebene Mitarbeiter), "Straining" (systematischer Entzug von Arbeitsaufgaben, Abschneiden von Kommunikation, Isolierung), "Gas-Lightning" (psychische Manipulation mit dem Ziel der Verunsicherung und Desorientierung) oder "Cybermobbing".
Der Vorwurf des Mobbings wird auch in der Arbeitswelt bei jeglicher betrieblicher Auseinandersetzung (zu) schnell erhoben. Andererseits stellt das soziale Phänomen, das mit dem Begriff Mobbing pauschal erfasst werden soll, ein konkretes Problem der Arbeitswelt, insbesondere auch des Arbeitsschutzes, dar.
Es ist vor diesem Hintergrund die Aufgabe der Gerichte, einen zu inflationären Gebrauch zu verhindern und neben den Besonderheiten des Einzelfalls die systematische Einbindung zu beachten.
Auf der Ebene des EU-Rechts findet sich eine Legaldefinition in Art. 12a des Beamtenstatuts der EU: "Als Mobbing wird ungebührliches Verhalten bezeichnet, das über einen längeren Zeitraum, wiederholt oder systematisch in Verhaltensweisen, mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, Handlungen oder Gesten zum Ausdruck kommt, die vorsätzlich begangen werden und die Persönlichkeit, die Würde oder die physische oder psychische Integrität einer Person angreifen."
Ansatzweise lässt sich dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Legaldefinition in § 3 Abs. 3 AGG entnehmen – die Regelung erfasst den Begriff "Mobbing" jedoch nur partiell. Danach ist Mobbing eine "Belästigung" i. S. d. § 3 Abs. 3 AGG, sofern das Verhalten an eines der 8 in § 1 AGG gesetzlich geschützten Merkmale anknüpft. Ist keines der Merkmale tatbestandlich erfüllt, wird es vom AGG nicht erfasst, was jedoch nicht heißt, dass es deshalb erlaubt wäre.
Unabhängig von den Diskriminierungstatbeständen des AGG gilt das Schikaneverbot als Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers, das sich an Arbeitgeber, Vorgesetzte und Kollegen richtet.
Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein Rahmenrecht, welches der Konkretisierung im Einzelfall bedarf. Das durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als "sonstiges Recht" i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Seine widerrechtliche Verletzung kann Schadensersatzansprüche auslösen. Die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegt nicht absolut fest, sondern muss grundsätzlich durch eine Abwägung der widerstreitenden, grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist deshalb nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt.
Vor allem der Arbeitgeber ist aufgrund der ihn treffenden arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht verpflichtet, Gesundheit und Persönlichkeitsrecht seiner Arbeitnehmer zu schützen. Zu berücksichtigen ist allerdings auch die Rechtsstellung des vermeintlich "Mobbenden", insbesondere sein Recht auf freie Meinungsäußerung.
Cybermobbing
Eine neuere Ausprägung des Phänomens Mobbing ist das "Cybermobbing", bei dem der Tatbestand über die Sozialen Medien im Internet erfüllt wird. Die Abgrenzung zur Persönlichkeitsverletzung im rein privaten Lebensbereich ist in diesen Fällen nicht immer eindeutig zu ziehen. Angeknüpft werden muss dabei einzelfallbezogen an die handelnden Personen (Arbeitskollege oder nicht) und die relevanten Inhalte (Bezug zum Arbeitsverhältnis oder dem betrieblichen Umfeld), da anderenfalls die Anwendbarkeit des AGG ausscheidet. Zudem erfordert § 3 Abs. 3 AGG das Vorliegen eines der Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG.
Kennzeichnend ist in allen Fällen ein systematisches, aus einer Vielzahl von Einzelhandlungen bestehendes Handeln des oder der Täter, deren Bedeutung erst in der umfassenden und übergreifenden Gesamtbetrachtung ausreichend rechtlich erfasst werden kann.
Ist der Sachverhalt geklärt, sollte vorrangig vor juristischen Reaktionen ein innerbetrieblicher Ausgleich versucht werden.
Die Reaktionsmöglichkeiten der am betrieblichen Geschehen Beteiligten entsprechen weitgehend dem allgemeinen Arbeitsrecht. Soweit der Arbeitgeber selbst handelt, stellt sich das Problem, inwieweit formal zulässige arbeitsrechtliche Gestaltungsmittel dennoch unzulässig sein können, weil sie Rechtspositionen des Arbeitnehmers verletzen.