1.6.1 Mobbing als Arbeitsunfall
Arbeitnehmer, deren Gesundheit durch einen Arbeitsunfall geschädigt worden ist, haben nach Maßgabe der §§ 26 ff. SGB VII einen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung (z. B. Heilbehandlungen, Rehabilitationsmaßnahmen, Verletztenrente). Ein Arbeitsunfall liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer bei der versicherten Tätigkeit einen Unfall erleidet. Unfälle sind nach der gesetzlichen Definition des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII von außen auf den Körper wirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Die hieraus abgeleitete zeitliche Begrenzung des schädigenden Ereignisses auf Vorgänge von der maximalen Dauer einer Arbeitsschicht hat zur Folge, dass die Anerkennung eines durch Mobbing verursachten Arbeitsunfalls nur selten in Betracht kommen wird, weil i. d. R. erst das über einen längeren Zeitraum ausgeübte Mobbing zu einer Gesundheitsstörung führt.
In Abgrenzung zur Berufskrankheit ist die schädigende Einwirkung beim Arbeitsunfall zeitlich begrenzt, höchstens auf die Dauer einer Arbeitsschicht. Deshalb kann nach Auffassung des LSG Hessen Mobbing keinen Arbeitsunfall darstellen.
Das LSG Baden-Württemberg hat entschieden, dass der Tatbestand eines Arbeitsunfalls nicht erfüllt ist, wenn ein Arbeitnehmer, der bereits seit längerer Zeit einer erheblichen Druck- und Konfliktsituation am Arbeitsplatz ausgesetzt war, nach einem Gespräch mit seinen Vorgesetzten, in dem in massiver und verletzender Form Kritik an seiner Arbeit geübt wird, an einer Depression erkrankt, weil es sich bei dem Gespräch nur um das letzte Ereignis in einer Kette mehrerer belastender Vorgänge handelt, die in ihrer Gesamtheit ursächlich für die psychische Erkrankung des Betroffenen waren. Auch das LSG Mecklenburg-Vorpommern hat entschieden, dass im Falle eines Sturzes, als dessen wesentliche Ursache der Arbeitnehmer "eine schon seit Wochen bzw. Monaten bestehende Überlastung ("Stress") bzw. Mobbing durch den Arbeitgeber" angab, nicht den Unfallbegriff im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII erfülle; es fehle an einem "plötzlichen Ereignis" im Sinne einer Einwirkung in einem relativ kurzen, etwa einer Arbeitsschicht vergleichbaren Zeitraum.
Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls kommt daher nur dann in Betracht, wenn eine einzelne konkrete Mobbinghandlung als unmittelbare Ursache für einen innerhalb des o. g. Zeitraums auftretenden Gesundheitsschaden angesehen werden kann.
Mobbing als Ursache für Gesundheitsschädigung
- Herzinfarkt des Mobbingbetroffenen nach der Ankündigung des Arbeitgebers, nicht gegen die Mobber, sondern gegen ihn vorgehen zu wollen;
- Selbstmordversuch als Reaktion auf eine besonders schwere Mobbinghandlung.
1.6.2 Mobbing als Berufskrankheit?
Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet, die der Versicherte auf Mobbing im Zusammenhang mit seiner versicherten beruflichen Tätigkeit zurückführt, stellen keine Berufskrankheit nach der Berufskrankheiten-Liste der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) dar, da Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet nicht ausdrücklich in der Berufskrankheiten-Liste genannt sind. Nach Auffassung des LSG Bayern kann die psychische Erkrankung eines Versicherten infolge von Mobbing auch nicht wie eine Berufskrankheit (sog. Wie-Berufskrankheit) anerkannt werden. Die Feststellung des Vorliegens einer Wie-Berufskrankheit setzt insbesondere voraus, dass bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen. Im Fall von Mobbing am Arbeitsplatz lassen sich bestimmte Personengruppen, die diesen besonderen Einwirkungen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, nicht abgrenzen.
Ein Leistungsanspruch gegen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung kann deshalb nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.
1.6.3 Mobbing und Opferentschädigungsgesetz
Die Klage eines Mobbingbetroffenen auf Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) ist vom Bundessozialgericht in letzter Instanz abgewiesen worden. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nur derjenige einen Anspruch auf Versorgung hat, d...