BMF, Schreiben v. 21.10.2010, IV C 6 - S 2244/08/10001, BStBl I 2010, 832
Der BFH hat unter Geltung des GmbH-Rechts vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) am 1.11.2008 (BGBl 2008 I S. 2026) in mehreren Urteilen zur Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten gemäß § 17 Abs. 2 EStG in den Fällen des Darlehensverlustes eines i.S. des § 17 EStG beteiligten Gesellschafters Stellung genommen (BFH-Urteile vom 24.4.1997, BStBl 1999 II S. 339 und BStBl 1999 II S. 342, vom 4.11.1997, BStBl 1999 II S. 344, sowie vom 10.11.1998, BStBl 1999 II S. 348). Nach den in diesen Urteilen zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsätzen gehören zu den Anschaffungskosten einer Beteiligung i.S. des § 17 EStG auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Danach zählt zu diesen Aufwendungen auch die Wertminderung des Rückzahlungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen. Nach Auffassung des BFH muss der Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten in § 17 EStG weit ausgelegt werden, damit das die Einkommensbesteuerung beherrschende Nettoprinzip im Anwendungsbereich dieser Norm ausreichend wirksam werden kann. Dem durch die Beteiligung veranlassten Ertrag ist der durch sie veranlasste Aufwand gegenüberzustellen. Als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. des § 17 Abs. 2 EStG kommen deshalb nicht nur Aufwendungen in Betracht, die auf der Ebene der Gesellschaft als Nachschüsse oder verdeckte Einlagen zu werten sind, sondern auch sonstige, durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Aufwendungen des Gesellschafters, sofern diese nicht Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder Veräußerungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 EStG sind. Die Finanzverwaltung hatte die Anwendung der durch die genannten BFH-Urteile geschaffenen Rechtsgrundsätze seinerzeit in dem BMF-Schreiben vom 8.6.1999 (BStBl 1999 I S. 545) zusammengefasst.
Zu der Frage, welche Folgen sich für die Anwendung des § 17 EStG aufgrund des ab dem 1.11.2008 geltenden MoMiG (a.a.O.) ergeben, nehme ich im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung:
1. Rechtslage auf Grund des MoMiG
Das bisherige Recht bestand zum einen aus dem Bereich der gesetzlichen Regelungen in §§ 32a, 32b GmbHG (sog. Novellenregeln), und zum anderen aus einer aus der BGH-Rechtsprechung entwickelten analogen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG (sog. Rechtsprechungsregeln). Durch das MoMiG wurde das Eigenkapitalersatzrecht grundlegend dereguliert. Die Bestimmungen über kapitalersetzende Darlehen (§§ 32a, 32b GmbHG) wurden im Rahmen des MoMiG aus dem GmbHG entfernt und im Insolvenzrecht sowie im Anfechtungsgesetz (AnfG) neu geordnet. Damit hat der Gesetzgeber auch den zu §§ 30, 31 GmbHG entwickelten Rechtsprechungsregeln die gesetzliche Grundlage entzogen. Kern der Neuregelungen in den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, §§ 44a, 135, 143 Abs. 3 der Insolvenzordnung (InsO) ist eine gesetzliche Nachrangigkeit aller Rückzahlungsansprüche aus Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, unabhängig davon, ob sie in der Krise gewährt wurden oder nicht („insolvenzrechtliches Institut der Nachrangigkeit”). Ist das Darlehen im Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags getilgt worden oder wurde es zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag besichert, so ist gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zusätzlich die Insolvenzanfechtung eröffnet, d.h. es besteht die Anfechtbarkeit der im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag von der Gesellschaft zurückgezahlten Gesellschafterleistungen, und zwar unabhängig von einer tatbestandlichen Anknüpfung an einen eigenkapitalersetzenden Charakter der Leistung. Wurde das Darlehen im Jahr vor Erlangung eines vollstreckbaren Schuldtitels zurückgezahlt oder wurde es zehn Jahre vor diesem Zeitpunkt besichert, so ist – außerhalb des Insolvenzverfahrens – zusätzlich die Anfechtungsmöglichkeit nach § 6 AnfG eröffnet. Das frühere Sanierungsprivileg und das frühere Kleinanlegerprivileg werden sinngemäß in § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 und 5 InsO beibehalten, so dass die vorgenannten Einschränkungen hier nicht gelten.
2. Nachrangigkeit der Gesellschafterdarlehen
Während die Rechtsprechung bisher von einer Anbindung an das Eigenkapitalersatzrecht ausging (BFH-Urteil vom 13.7.1999, BStBl 1999 II S. 724), ist nach Abschaffung der Eigenkapitalersatzregeln in §§ 32a, 32b GmbHG die Darlehensgewährung durch den Gesellschafter selbst die alleinige Voraussetzung für die insolvenzrechtliche Bindung des Darlehens. Mit Ausnahme der durch das Sanierungsprivileg und das Kleinanlegerprivileg begünstigten Gesellschafterdarlehen treten alle Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz unabhängig von ihrer vertraglichen Ausgestaltung und unabhängig vom Zeitpunkt der Hingabe gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO an die letzte Stelle aller Gläubiger.
Für die Frage nachträglicher Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 Ab...