Rz. 16
Der Vorschrift des § 6 Abs. 1 EFZG lassen sich zwar ausgehend von ihrem Wortlaut keine Besonderheiten bzw. Einschränkungen bei Familienangehörigen entnehmen. Die vergleichbaren Regelungen der §§ 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X und § 86 Abs. 3 VVG zu einem gesetzlich angeordneten Forderungsübergang bei Dritthaftung schließen einen solchen jedoch in den Fällen aus, in denen ein Familienangehöriger, der im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft lebt, den Verdienstausfallschaden fahrlässig herbeigeführt hat. Mit Wirkung zum 1.1.2021 wurde die Regelung in § 116 Abs. 1 SGB X neu gefasst und das Familienprivileg durch ein Haushaltsangehörigenprivileg ersetzt. In der Neufassung ist weiterhin der Anspruchsübergang nicht mehr ausgeschlossen, sondern stattdessen – mit Ausnahme von Schäden, die bei dem Betrieb eines Fahrzeugs entstanden sind (§ 116 Abs. 6 Satz 3 SGB X) – die Geltendmachung des übergegangenen Anspruchs durch den Sozialversicherungsträger ausgeschlossen. Der dennoch erfolgte Anspruchsübergang entzieht dem Geschädigten die Aktivlegitimation für eine Geltendmachung des Anspruchs gegen den Schädiger.
Der Ausschluss des gesetzlichen Forderungsübergangs bzw. (seit 1.1.2021) die fehlende Durchsetzbarkeit in diesen Fällen hat den Zweck, die wirtschaftliche Einheit "Familie" bzw. (seit 1.1.2021) die Haushaltsgemeinschaft nicht mit den finanziellen Folgen einer fahrlässigen Handlung eines Angehörigen zu belasten und Auseinandersetzungen innerhalb der Familie im Hinblick auf die Verschuldensfrage zu vermeiden. Aufgrund der im Rahmen des § 6 EFZG bestehenden gesetzlichen Regelungslücke und der vergleichbaren Interessenlage bei einer fahrlässigen Schadensverursachung durch einen Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft, werden die Vorschriften der §§ 116 Abs. 6 S. 1 SGB X und § 86 Abs. 3 VVG im Entgeltfortzahlungsrecht analog angewandt. Dies hat zur Folge, dass der Forderungsübergang auf den Arbeitgeber nach § 6 Abs. 1 EFZG ausgeschlossen ist, wenn ein Familienangehöriger, der mit dem geschädigten Arbeitnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebt, den Schaden fahrlässig herbeigeführt hat. In der Praxis dürfte dies entsprechend der Neufassung des § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X in Zukunft unstreitig auch für solche Fälle gelten, in denen zwischen Nicht-Familienangehörigen eine Haushaltsgemeinschaft besteht.
Rz. 17
Familienangehörige – dies ist für vor dem 1.1.2021 eingetretene Schadensfälle noch relevant – sind grundsätzlich der Ehegatte, Verwandte und Verschwägerte des Arbeitnehmers (§§ 1589, 1590 BGB); auf den Grad der Verwandtschaft/Schwägerschaft oder das Bestehen von Unterhaltspflichten kommt es nicht an. Auch Pflegekinder werden als Familienangehörige angesehen, wenn sie mit dem Arbeitnehmer in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben. Darüber hinaus findet ein Forderungsübergang nach § 6 Abs. 1 EFZG auch nicht statt, wenn es sich bei dem Schädiger um den Partner einer i. S. d. § 1 LPartG eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft handelt und die Partner in häuslicher Gemeinschaft leben. Nach § 11 Abs. 1, 2 LPartG gilt der eingetragene Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners und die Verwandten desselben als mit diesem verschwägert.
Rz. 18
Bereits vor der Änderung des § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X war anerkannt, dass auch Partner einer (nicht eingetragenen) nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Anwendungsbereich des § 6 EFZG in den Genuss eines Regressausschlusses kommen müssen. Unter Zugrundelegung der Wertung des § 86 Abs. 3 VVG galt bereits bislang als entscheidendes Kriterium nicht mehr die Familienzugehörigkeit, sondern die Haushaltszugehörigkeit.
Rz. 19
Weitere Voraussetzung eines Ausschlusses des gesetzlich angeordneten Forderungsübergangs nach § 6 Abs. 1 EFZG für Familienangehörige im vorgenannten Sinne (nach der bis zum 31.12.2020 geltenden Rechtslage) war stets, dass diese die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nur fahrlässig und nicht vorsätzlich herbeigeführt haben und mit dem Arbeitnehmer in einer häuslichen Gemeinschaft leben.
Rz. 20
Eine solche besteht, wenn zwischen den Beteiligten eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Gemeinschaft vorhanden ist, wie sie üblicherweise zwischen Ehegatten oder zwischen Eltern und Kindern vorliegt. Indizien für das Vorliegen einer häuslichen Gemeinschaft sind das Wohnen in gemeinsamen Räumen und die finanzielle Beteiligung an der gemeinsamen Wirtschaftsführung. Eine Einheit in sämtlichen Wirtschaftsangelegenheiten ist ebenso wenig erforderlich wie eine gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit. Auch die Vereinbarung einer Gütertrennung zwischen den Ehegatten steht der Annahme einer häuslichen Gemeinschaft nicht entgegen. Die häusliche Gemeinschaft muss im Zeitpunkt des Schadensereignisses bestehen; vorübergehende Trennungen ebenso wie spätere Scheidungen oder Auflösungen der häuslichen Gemeinschaft sind für das Eingreifen des Ausschlusses des Forderungsübergangs ...