Entscheidungsstichwort (Thema)
Einwand der Nichtigkeit des Anwaltsvertrages im Kostenfestsetzungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Der auf den Verstoß gegen ein gesetzliches Vertretungsverbot gestützte Einwand der Nichtigkeit des zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten geschlossenen Anwaltsvertrages ist im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen.
Normenkette
ZPO § 104; BRAO §§ 45, 47
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 24.11.2016; Aktenzeichen 16 O 287/15) |
Tenor
Auf die als sofortige Beschwerde geltende, am 1.12.2016 bei dem LG eingegangene Erinnerung der Klägerin vom 29.11.2016, wird der am 24.11.2016 zugestellte Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 16. Zivilkammer des LG Hannover aufgehoben.
Der Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 31.10.2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Beschwerdewert: 3.800,62 EUR
Gründe
Die wegen der Erreichung des Beschwerdewertes von mehr als 200,00 EUR als sofortige Beschwerde geltende Erinnerung der Klägerin ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG
i.V.m. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 569 ZPO zulässig, insbeson-dere form- und fristgerecht eingelegt worden.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Zu Unrecht hat die Rechtspflegerin angenommen, dass es sich bei dem von der Klägerin erhobenen Einwand der Nichtigkeit des zwischen der Beklagten und ihren Prozessbevollmächtigten geschlossenen Anwaltsvertrages um eine materiell-rechtliche Einwendung handelt, die im Hauptsacheverfahren hätte vorgebracht werden müssen und nicht im Kostenfestsetzungsverfahren. Das Gegenteil ist der Fall. Die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren ist bereits deshalb zu Unrecht erfolgt, weil der Verstoß eines Rechtsanwalts gegen eines der Vertretungsverbote der §§ 45, 46 BRAO nach der höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1993, 1926) die Wirksamkeit der Prozessvollmacht und aller vom Rechtsanwalt im Namen der Partei vorgenommenen Rechtshandlungen unberührt lässt, um die Beteiligten im Interesse der Rechtssicherheit zu schützen. Dagegen hat die Nichtigkeit des Anwaltsvertrages als Geschäftsbesorgungsvertrages unmittelbare Auswirkungen für die im Kostenfestsetzungsverfahren beachtliche Frage, ob der obsiegenden Partei außergerichtliche Anwaltskosten entstanden sind, zu deren Erstattung die unterliegende Partei gemäß der Kostengrundentscheidung in dem der Festsetzung zugrunde liegenden Titel zur Kostenerstattung verpflichtet sein kann.
Im vorliegenden Fall steht der obsiegenden Beklagten trotz der Verurteilung der Klägerin in die Kosten des Rechtsstreits kein Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten nach Maßgabe des Kostenfestsetzungsantrages vom 31.10.2016 zu.
Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten sind unter Verstoß gegen das gesetzliche Vertretungsverbot gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 BRAO tätig geworden. Damit ist der zugrunde liegende Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Beklagten und ihren Prozessbevollmächtigten als nichtig anzusehen, was zum Verlust eines Vergütungsanspruchs der Prozessbevollmächtigten und damit nach der von dem Senat geteilten obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Stuttgart MDR 1999, 1530 f. Rn. 9; OLG Köln AnwBl. 1980, 70; Sächsisches Oberverwaltungsgericht NJW 2003, 3504, Rn. 5; Baumbach/Lauterbach/-Albers/Hartmann, ZPO 75. Aufl. § 91
Rn. 162 Stichwort: Nichtigkeit) zugleich zum Verlust eines entsprechenden Erstattungsanspruchs der Beklagten gegen die Klägerin als Prozessgegnerin führt.
Die Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen der Beklagten und ihren Prozessbevollmächtigten beruht darauf, dass die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit dem Rechtsanwalt und Notar Dr. S. in Sozietät oder sonstiger Weise zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbunden gewesen sind (§ 45 Abs. 3 BRAO) und dass Rechtsanwalt Dr. S. als Notar am 13.5.1994 den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zur Begründung eines Dauerwohnrechts beurkundet hat, deren Auslegung im vorliegenden Rechtsstreit streitig ist. Während die Klägerin zur Begründung ihrer negativen Feststellungsklage bezüglich der Verpflichtung u.a. zur Instandsetzung des Terrassenbereichs geltend macht, dass dem notariellen Vertrag und den beigefügten Zeichnungen nicht entnommen werden könne, dass auch die Terrasse Bestandteil des Dauerwohnrechts sei und dass ihr die Instandsetzung der Terrasse nach dem Vertragsinhalt nicht obliege, hat die Beklagte mit der Klagerwiderung die Auffassung vertreten, nur zur Unterhaltung und Instandsetzung der dem Dauerwohnrecht unterliegenden Räume verpflichtet zu sein, wozu die Terrasse nicht gehöre, was auch dem notariellen Vertrag entspreche. Das Urteil des LG enthält Ausführungen dazu, dass und weshalb sich aus dem notariellen Vertrag die Verpflichtung der Klägerin zur Instandsetzung der Terrasse ergibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Gerichtskosten für das erfolgreiche Beschwerdeverfahren ...