Leitsatz (amtlich)

Eine bestimmte Form hat der Leistungsberechtigte bei der Mitteilung nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I nicht zu beachten.

 

Verfahrensgang

AG Bielefeld (Entscheidung vom 26.08.2005)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Staatskasse trägt die gesamten Kosten des Strafverfahrens sowie die dem Angeklagten in diesem Strafverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

 

Gründe

I.

Dem vorliegenden Verfahren liegt der Strafbefehl des Amtsgerichts Bielefeld vom 03.03.2005 zugrunde. Mit diesem Strafbefehl ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, sich am 01.08.2004 in Bielefeld des Betruges schuldig gemacht zu haben, indem er es pflichtwidrig vorsätzlich unterließ, dem Arbeitsamt seine Arbeitsaufnahme bei der Firma A. in S. anzuzeigen und er infolgedessen zu Unrecht während der Zeit vom 01.08.2004 bis zum 20.09.2004 Arbeitslosenunterstützung in Höhe von 1.753,17 EUR bezogen haben soll. Gegen den Strafbefehl hat der Angeklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt. Das Amtsgericht Bielefeld hat den Angeklagten wegen grob fahrlässiger Nichtmitteilung von wesentlichen Umständen, die für den Leistungsbezug maßgeblich sind (Arbeitsaufnahme) zu einer Geldbuße von 500,- EUR verurteilt.

Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich als festgestellten Sachverhalt entnehmen, dass der Angeklagte im Jahre 2004 zunächst arbeitslos war und aus diesem Grunde Sozialleistungen über die Agentur für Arbeit in Gütersloh bezogen hatte, er aber sodann im August 2004 eine Arbeit aufgenommen hat. Dennoch erfolgten weitere Zahlungen durch die Agentur für Arbeit Anfang September und Anfang Oktober. Nach den weiteren Ausführungen im angefochtenen Urteil hat die Ehefrau des Angeklagten, der offensichtlich der deutschen Sprache nicht mächtig ist, "aufgrund der Arbeitsaufnahme und der dann erfolgten weiteren Zahlungseingänge trotz Arbeitsaufnahme Anfang September und Anfang Oktober" bei der Agentur für Arbeit in Gütersloh angerufen und "dies" (gemeint ist offensichtlich die erfolgte Arbeitsaufnahme sowie die weiteren Zahlungseingänge) dort mitgeteilt. Das Amtsgericht hat weiterhin festgestellt, dass telefonische Mitteilungen über Arbeitsaufnahmen gegenüber dem Kundenbüro der Agentur für Arbeit in Gütersloh nicht im Computer erfasst würden. Allerdings erfolge in diesen Fällen grundsätzlich der Hinweis, dass die Arbeitsaufnahme durch eine schriftliche Veränderungsmitteilung vorzunehmen sei. Eine solche schriftliche Mitteilung ist durch den Angeklagten nicht erfolgt.

Das Amtsgericht ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Angeklagten der ihm mit dem Strafbefehl vom 03.03.2005 zur Last gelegte Betrug nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden könne.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten allerdings der Begehung einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 404 Abs. 2 Nr. 26, Abs. 3 SGB III i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I für schuldig befunden und zur Begründung Folgendes ausgeführt:

"Der Angeklagte ist jedoch bereits bei Beantragung des Leistungsbezuges über seine Pflichten bei Veränderungen der persönlichen Verhältnisse hingewiesen worden. Unabhängig von den Telefonaten ist der Angeklagte zu einer schriftlichen Veränderungsmitteilung verpflichtet gewesen. Dies hat er mangels sicheren Nachweises eines Vorsatzes zumindest grob fahrlässig nicht beachtet. Umständen, die für den Leistungsbezug maßgeblich sind (Arbeitsaufnahme), vorzuwerfen."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der eine Verletzung materiellen und formellen Rechts gerügt wird.

II.

Die Revision hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Freispruch des Angeklagten.

Das Amtsgericht hat zu Recht die Begehung eines Betruges i.S.d. § 263 StGB durch den Angeklagten mit Rücksicht auf die von ihm festgestellten Telefonate der Ehefrau bei der Agentur für Arbeit in Gütersloh verneint. Denn bei Zugrundelegung dieses Sachverhaltes lässt sich eine bewusste Täuschung des Angeklagten über eine für den Leistungsbezug wesentliche Veränderung seiner Verhältnisse (Arbeitsaufnahme) nicht feststellen. Auch die Abhebung der Anfang September sowie Anfang Oktober 2004 zu Unrecht überwiesenen Unterstützungsleistungen beinhaltete keine konkludente Vortäuschung, dass die Voraussetzungen für die Unterstützung noch vorliegen bzw. vorgelegen haben. Vielmehr nutzt der Abhebende bei dieser Fallgestaltung lediglich den bei den Mitarbeitern des Arbeitsamtes bereits bestehenden Irrtum aus. Ein solches Verhalten wird nicht von § 263 StGB erfasst (OLG Köln, NJW 1984, 1979 m.w.N.; HansOLG, Beschluss vom 11.11.03 - II - 104/03 -).

Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen allerdings auch nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 404 Abs. 2 Nr. 26, Abs. 3 SGB III i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I.

§ 404 Abs. 2 Nr. 26 SGB III handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I eine...

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