Leitsatz (amtlich)

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung, dass eine zur Insolvenztabelle festgestellte Forderung auf vorsätzlich unerlaubter Handlung beruht, entspricht dem Betrag der Forderung, wenn mit der begehrten Feststellung der Ausschluss der Forderung von der Restschuldbefreiung erstrebt wird und eine Insolvenzquote nicht zu erwarten ist.

 

Normenkette

ZPO § 3; InsO §§ 201, 302

 

Verfahrensgang

LG Münster (Beschluss vom 17.05.2006; Aktenzeichen 12 O 12/06)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und der Streitwert für Klage und Widerklage zusammen auf 26.170,07 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführer erstreben die Heraufsetzung des erstinstanzlich auf 20.238 EUR festgesetzten Streitwerts auf 33.327,07 EUR.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten u.a. wegen nicht abgeführter Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung eine Forderung über 26.170,07 EUR. Über das Vermögen des Beklagten wurde am 19.11.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin meldete diese Forderung mit dem Bemerken zur Insolvenztabelle an, dass ihr eine vorsätzlich unerlaubte Handlung gem. § 266a StGB zugrunde liege. Die Forderung wurde der Höhe nach festgestellt. Gegen den Zusatz erhob der Beklagte Widerspruch.

In dem vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die genannte Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe. Das LG hat der Klage stattgegeben und die Hilfswiderklage, mit der der Beklagte die Feststellung begehrt hat, die streitige Forderung sei i.H.v. 14.306,98 EUR verjährt, abgewiesen. Den Streitwert hat es in dem angefochtenen am 17.5.2006 verkündeten Beschluss je mit rund der Hälfte der streitigen Beträge bemessen, d.h. mit 13.085 EUR für die Klage und mit 7.153 EUR für die Widerklage, also zusammen mit 20.238 EUR. Dagegen haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 30.5.2006 - beim LG eingegangen am 6.6.2006 - Beschwerde eingelegt. Sie sind der Auffassung, der Streitwert der Klage bestimme sich nach dem vollen Wert der Forderung von 26.170,07 EUR, wohingehend der Wert der Widerklage zutreffend mit der Hälfte des von dem Beklagten genannten Betrags bemessen worden sei. Sie tragen unwidersprochen vor, dass sie in dem Insolvenzverfahren voraussichtlich keine Quote zu erwarten haben.

Der Beklagte hält die Streitwertfestsetzung des LG wegen der schlechten Vollstreckungsaussichten bei ihm für richtig. Er verweist darauf, dass er eine Pension von rund 1.500 EUR monatlich erhalte und deshalb für die Vollstreckung von Forderungen, die von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, wegen seiner Unterhaltsverpflichtungen monatlich nur 150 EUR zur Verfügung stünden.

Die Klägerin hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert.

II. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist gem. §§ 68 Abs. 1 GKG, 32 Abs. 2 RVG zulässig und teilweise begründet.

1. Das Interesse der Klägerin an der Feststellung, dass ihre zur Insolvenztabelle festgestellte Forderung von 26.170,07 EUR auf vorsätzlich unerlaubter Handlung beruhe, ist gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu bewerten. Es entspricht hier der Höhe der Forderung.

Denn die begehrte Feststellung hat für die Klägerin zweifache Bedeutung: Zum einen bleibt die aufgrund der Eintragung in die Tabelle gem. § 201 Abs. 2 S. 2, 1, Abs. 1 InsO bestehende Vollstreckungsmöglichkeit gegen den beklagten Insolvenzschuldner persönlich erhalten, weil derartige Forderungen gem. § 302 Nr. 1 InsO von der Erteilung der Restschuldbefreiung unberührt bleiben, zum andern wird - sofern die Vollstreckung weiterhin erlaubt ist - eine Herabsetzung der Pfändungsfreigrenzen gem. § 850f Abs. 2 ZPO ermöglicht. Das Interesse der Klägerin besteht also primär darin zu verhindern, dass der Beklagte nach Abschluss der Wohlverhaltensperiode von der - bereits titulierten - Schuld befreit wird. Dieses Interesse, den titulierten Anspruch materiell zu erhalten, wird unabhängig von den konkreten Befriedigungschancen durch dessen Höhe bestimmt. Dies zeigt der Vergleich zur Zahlungsklage, für deren Bewertung die verlangte Leistung, nicht hingegen deren Realisierbarkeit in der Zwangsvollstreckung maßgeblich ist. Auch verbietet sich hier ein Abschlag dafür, dass die Klägerin ihr Recht im Weg der Feststellungsklage verfolgt. Denn diese erklärt sich nicht wie sonst bei der positiven Feststellungsklage daraus, dass eine Leistungsklage - noch nicht - erhoben werden kann, sondern aus der Besonderheit des Insolvenzverfahrens, in dem ohne Klageverfahren ein Titel geschaffen wird, sofern der Schuldner den zur Tabelle festgestellten Forderungen und den angemeldeten Zusätzen nicht widerspricht. Mit der begehrten Feststellung erhält die Klägerin einen vollstreckbaren Titel auch für die Zeit nach Ablauf der Wohlverhaltensphase, ohne dass es eines weiteren Verfahrens bedürfte. Der zweite Aspekt, die Vollstreckungschancen durch die Herabsetzung der Pfändungsfreigrenzen zu verbessern, hat daneben für die Wer...

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