Leitsatz (amtlich)

1. Die Obliegenheit zur Verwertung des Vermögensstamms geht beim Trennungsunterhalt weniger weit als beim Scheidungsunterhalt, bei dem jeder der beiden Scheidungspartner im Grundsatz wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen soll (§ 1569 BGB), während beim Trennungsunterhalt die wirtschaftliche Grundlage der ehelichen Gemeinschaft zunächst noch nicht beeinträchtigt werden soll. Außerdem haben die Eheleute während der Trennungszeit noch eine stärkere Verantwortung füreinander als nach der Scheidung, was ebenfalls gegen eine Verwertung des Vermögens des Berechtigten sprechen kann.

2. Zur Schätzung des objektiven Mietwerts bei einem grundsätzlichen Einverständnis der Parteien mit der Schätzung.

3. Ist das Kapitalvermögen in der Weise thesaurierend angelegt, dass keine Ausschüttung von Erträgen erfolgt, so kommt eine fiktive Zurechnung von regelmäßig ausgeschütteten Vermögenserträgen in Betracht.

4. Im Einzelfall kann der Arglisteinwand dem Aufrechnungsverbot gem. §§ 394 S. 1 BGB, 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO entgegenstehen.

 

Normenkette

BGB § 394 S. 1, §§ 1361, 1569; ZPO § 850b Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Steinfurt (Urteil vom 01.09.2010)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des AG - Familiengericht - Steinfurt vom 1.9.2010 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Trennungsunterhalt wie folgt zu zahlen, wobei der Unterhalt jeweils im Voraus bis zum 03. eines Monats und rückständige Beträge sofort zu zahlen sind:

a) für März bis Mai 2008 monatlich 121 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.6.2009,

b) für Juni 2008 321 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.6.2009,

c) für Juli bis Dezember 2008 monatlich 321 EUR,

d) für Januar bis Dezember 2009 monatlich 387 EUR,

e) für Januar bis Dezember 2010 monatlich 743 EUR,

f) für Januar bis Dezember 2011 monatlich 717 EUR,

g) ab Januar 2012 monatlich 719 EUR.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen; die weiter gehende Berufung des Klägers sowie die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 3/5 und die Beklagte 2/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für die Berufung des Klägers wird auf 25.168 EUR und für die Berufung der Beklagten auf 5.172 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Trennungsunterhalt ab März 2008.

Der am 11.4.1930 geborene Kläger und die am 21.7.1949 geborene Beklagte heirateten am 13.9.1989. Aus der Ehe gingen keine Kinder hervor. Es handelte sich für beide Parteien um die jeweils zweite Ehe. Aus der ersten Ehe des Klägers gingen drei Kinder, aus der ersten Ehe der Beklagten ging ein Kind hervor. Die Parteien leben seit dem 19.8.2007 getrennt. Der Scheidungsantrag im Verfahren 30 F 124/08 AG Steinfurt wurde am 26.5.2008 zugestellt. Die Ehe der Parteien ist bislang nicht geschieden.

Der Kläger war Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und betrieb bis zum 2.1.2005 eine eigene Praxis. Seinen Mandantenstamm verkaufte der Kläger durch Vertrag vom 12.10.2004 für 135.000 EUR an die U Treuhand (Dipl.-Volkswirt Wirtschaftsprüfer und Steuerberater L, Dipl.-Kaufmann Steuerberater L2 und Steuerberater U2). Auf den Kaufpreis erhielt der Kläger am 2.1.2005 eine Anzahlung i.H.v. 45.000 EUR. Der Restbetrag wird seit dem 30.1.2005 in monatlichen Raten i.H.v. 911,11 EUR gezahlt, wobei ein Festzinssatz von 4 % vereinbart wurde. Der Kläger war in seiner ehemaligen Praxis ab 2005 noch überleitend als angestellter Steuerberater im Rahmen eines 400 EUR-Jobs beschäftigt; die Parteien streiten insofern darüber, ob die Aushilfstätigkeit des Klägers Ende 2009 endete. Neben der Aushilfstätigkeit war der Kläger ab 2005 in geringem Umfang selbständig tätig. In diesem Zusammenhang ist zwischen den Parteien streitig, ob der Kläger seine Bestellungen als Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsbeistand Ende 2010 zurückgegeben hat. Der Kläger bezieht zwei Renten. Die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung betrug in 2008 253,68 EUR monatlich. Die Rente von der Q betrug in 2008 442,15 EUR monatlich. Eine private Lebensversicherung beim H-Konzern ließ sich der Kläger im September 2003 i.H.v. 118.217 EUR auszahlen. Im Zeitpunkt der Trennung der Parteien waren sowohl die Lebensversicherung als auch die Anzahlung aus dem Verkauf des Mandantenstamms verbraucht, wobei über die Verwendung der Auszahlungsbeträge zunächst Streit zwischen den Parteien bestand. Im Senatstermin am 1.2.2012 gab auch der Kläger an, dass er das Geld - wie von der Beklagten vorgetragen - zur Schuldentilgung eingesetzt habe.

Der Kläger ist Eigentümer einer 100 qm großen Gewerbeimmobilie (Teileigentum) I-Straße 38 in N, in der er früher die Praxis betrieb und die er seit 2005 über die W GmbH & Co. KG, deren Komplementär und Geschäftsführer die W Verwaltungs GmbH ist, an die U Treuhand vermietet hat. Alleiniger Kommanditist der W GmbH & Co. KG ist der Kläger. Ferner ist der Kläger alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der W ...

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