Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftsverlangen. Agentur für Arbeit. Verwaltungsakt. Verbindlichkeit. Ordnungswidrigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei dem Auskunftsverlangen der Agentur für Arbeit gegenüber dem Arbeitgeber nach § 316 Abs. 1 SGB III handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X.

2. Kommt der Arbeitgeber diesem Auskunftsverlangen nicht nach, ist der objektive Tatbestand der Ordnungswidrigkeit nach §§ 404 Abs. 2 Nr. 23, 316 Abs. 1 SGB III nur dann erfüllt, wenn das Auskunftsverlangen in dem Sinne "verbindlich" ist, dass es entweder unanfechtbar oder zumindest sofort vollziehbar, d.h. mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG verbunden ist.

 

Normenkette

SGB III § 404 Abs. 2 Nr. 23, § 316 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Herford (Aktenzeichen 11 OWi 868/11)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die

Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer "fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach § 404 Abs. 2 Nr. 23 SGB III (verspätete Auskunftserteilung)" zu einer Geldbuße von 1.000 € verurteilt. In den Gründen des Urteils heißt es, der Betroffene habe als Arbeitgeber der zuständigen Agentur für Arbeit Auskünfte, die diese für die Bearbeitung eines von einem Arbeitnehmer des Betroffenen gestellten Antrages auf Leistung von Insolvenzgeld benötigt habe, nur mit erheblicher Verspätung erteilt.

Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und

materiellen Rechts.

II.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge (vorläufig) Erfolg. Das Amtsgericht ist ausweislich der Gründe des angefochtenen Urteils der Auffassung, der Betroffene habe eine Ordnungswidrigkeit nach § 404 Abs. 2 Nr. 23 SGB III in Verbindung mit § 316 Abs. 1 SGB III begangen. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen vermögen diesen Schuldspruch - ungeachtet weiterer Bedenken - bereits aus den nachfolgenden Erwägungen nicht zu tragen.

Nach § 316 Abs. 1 SGB III ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit auf Verlangen alle Auskünfte zu erteilen, die für die Durchführung der §§ 183 bis 189 SGB III (Leistung von Insolvenzgeld), des § 208 SGB III (Zahlung von Pflichtbeiträgen bei einem Insolvenzereignis), des § 320 Abs. 2 SGB III (Errechnung und Auszahlung des Insolvenzgeldes durch den Insolvenzverwalter) sowie des § 327 Abs. 3 SGB III (örtliche Zuständigkeit der Agentur für Arbeit für die Leistung von Insolvenzgeld) erforderlich sind. Nach § 404 Abs. 2 Nr. 23 SGB III begeht u.a. eine Ordnungswidrigkeit, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 316 Abs. 1 SGB III eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt.

Bei dem Auskunftsverlangen im Sinne des § 316 Abs. 1 SGB III handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X (Kühl in: Brand, SGB III, 6. Aufl. [2012], § 316 Rdnr. 5; Peters-Lange in: Gagel, SGB II / SGB III, § 316 SGB III Rdnr. 13; Braun in: Schönefelder/Kranz/Wanka, Sozialgesetzbuch III - Arbeitsförderung, 3. Aufl., § 316 Rdnr. 13). Objektives Tatbestandsmerkmal der Ordnungswidrigkeit nach §§ 404 Abs. 2 Nr. 23, 316 Abs. 1 SGB III ist damit die Zuwiderhandlung gegen einen Verwaltungsakt. Wird nach dem Gesetz eine Zuwiderhandlung gegen einen Verwaltungsakt mit Geldbuße bedroht, ist nach allgemeinen bußgeldrechtlichen Grundsätzen die Zuwiderhandlung nicht schon mit dem Erlass der behördlichen Entscheidung bußgeldbewehrt, sondern nur und erst dann, wenn der Verwaltungsakt für den Betroffenen in dem Sinne "verbindlich" ist, dass er entweder nicht mehr anfechtbar ist oder dass Rechtsbehelfe gegen ihn keine aufschiebende Wirkung haben; denn eine Übelsfolge als bußgeldrechtliche Gegenwirkung gegen eine Zuwiderhandlung gebührt billigerweise nur demjenigen, der den Vollzug des gegen ihn gerichteten Verwaltungsaktes ohne die Möglichkeit hemmender Rechtsbehelfe (zunächst) hinnehmen muss, dessen Zuwiderhandlung sich also als Ungehorsam gegen eine vollziehbare Verwaltungsentscheidung darstellt (Senat, NZS 2012, 713 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Es gibt keinen Grund, von diesem Grundsatz in dem vorliegenden Falle einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 404 Abs. 2 Nr. 23, 316 Abs. 1 SGB III abzuweichen.

Den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass es zu irgendeinem Zeitpunkt ein in dem oben dargestellten Sinne "verbindliches" - also entweder unanfechtbares oder zumindest sofort vollziehbares - Auskunftsverlangen der Agentur für Arbeit gegenüber dem Betroffenen gab. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass - da für Auskunftsverlangen im Sinne des § 316 Abs. 1 SGB III keine entgegenstehende gesetzliche Regelung im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG existiert - Widerspruch und Anfechtungsklage gegen ein solches Auskunftsverlangen nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich aufschiebende Wirkung haben. Das Auskunftsverlangen ist da...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?