Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 21 O 76/17) |
Tenor
Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten gegen das am 30.10.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Münster (21 O 76/17) werden zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist ein 1953 gegründetes Unternehmen mit Sitz in X/Österreich. Sie produziert Maschinen und Fahrzeuge für den Neubau, Umbau und für die Messarbeiten und die Instandhaltung von Gleisen und Oberleitungen. International ist sie eine führende Anbieterin einer Vielzahl von Bahnbaumaschinen und erreicht sowohl in Deutschland als auch weltweit hohe Marktanteile. Ihre Produkte sind den Teilnehmern des entsprechenden Marktes sehr bekannt.
Die Klägerin entwickelt, produziert und vertreibt u.a. über 200 technisch unterschiedlich ausgestattete Stopfaggregate, die europa- und weltweit vertrieben und gehandelt werden. Diese Aggregate finden in Stopfmaschinen Verwendung, die dem Verdichten und Nivellieren von Schotterbetten im Gleisbau durch das sogenannte Stopfen dienen. Das ist eine beim Bau und bei der Instandhaltung von Gleisen mit Schotteroberbau angewandte Methode, um Unebenheiten und Verschiebungen in der Gleislage zu beseitigen. Dabei werden durch Einsatz von Stopfmaschinen die Gleise angehoben, ggf. gerichtet und anschließend die Bahnschwellen mit Schotter unterfüttert. Für den Stopfvorgang werden dazu die durch eine Messeinrichtung ermittelten Werte ausgewertet und an ein Hebe- und Richtaggregat übermittelt. Dieses hebt und richtet das Gleis und bereitet damit den Einsatz des Stopfaggregats vor.
Fachkreise unterscheiden drei Arten von Stopfaggregaten: Strecken-, Weichen- und Universalstopfaggregate. Streckenstopfaggregate dienen der reinen Gleisbearbeitung unter Einsatz starrer Stopfpickelpaare. Universaltopfaggregate sind sowohl in Gleisen als auch in Weichen einsetzbar und verfügen daher für die Weichenbearbeitung über zusätzliche Verstellmöglichkeiten der Aggregate. Diese Aggregate sind für das Stopfen ganzer Weichenstraßen und für die Arbeit auf Streckengleisen einsetzbar. Weichenstopfaggregate kommen dort zum Einsatz, wo Leistung nicht im Vordergrund steht und dienen in erster Linie dem Stopfen von Weichen. Beim Einsatz taucht das Stopfaggregat bei leicht angehobenem Gleis mit seinen stählernen Stopfpickeln rechts und links einer Bahnschwelle von oben in das Schotterbett ein. Die Stopfpickel werden in horizontale Schwingungen versetzt und vibrierend wieder hochgezogen. Zugleich werden die Stopfpickel aufeinander zubewegt, was als "beistellen" bezeichnet wird. Dadurch wird die Schotterpackung unter der jeweiligen Bahnschwelle verdichtet und die Gleislage fixiert.
Die für das Gleisstopfen erforderliche Vibration der Pickelarme wird herkömmlich durch eine Exzenterwelle erzeugt. Diese Technik wird seit den 1930er Jahren angewendet. Bereits in den 1950er Jahren entwickelte die Klägerin das erste hydraulische Stopfaggregat, das sie seither immer weiter entwickelte. Schon im Jahr 1961 bot die Klägerin eine Weichenstopfmaschine mit ausschwenkbaren Stopfwerkzeugen an.
Ein früheres Schwesterunternehmen der Klägerin war Inhaberin des 1983 angemeldeten und 1985 veröffentlichten österreichischen Patents AT ... ...78 B. Die technische Ausgestaltung zeigt einzeln schwenkbare Stopfpickel in Schwenklagern auf einer zentralen Drehachse. Die Schwenklager sind jeweils mit einem Pickelarm verbunden, an dem jeweils zwei hydraulische Schwenkzylinder verbaut sind. Die Vibration zur gerichteten Schwingungserzeugung wird am oberen Ende des Pickelarms erzeugt. Die Bauteile Pickelarm, Schwenklager und Pickelhalter (sowie die am Pickelarm angeordneten hydraulischen Schwenkzylinder) des Stopfaggregats sind bereits in der auch aktuell von der Klägerin gewählten Gestaltung zu sehen. In Bezug auf ein mehr als 20 Jahre älteres Patent AT ... ...34 (der Klägerin) wird darauf verwiesen, dass es seit langem bekannt und üblich sei, die Stopfpickel so zu gestalten, dass sie mit Hilfe von Hydraulikzylindern, die am Pickelarm angeordnet sind, einzeln nach oben geschwenkt werden können, um z.B. in Weichen flexibler arbeiten zu können. Zu dem österreichischen Patent AT ... ...78 B gab es zahlreiche, zur gleichen Patentfamilie gehörende Parallelschutzrechte in anderen Staaten. In Deutschland war das im Jahr 1983 angemeldete Patent DE ... ... ...62 C2 in Kraft, das inhaltlich ganz weitgehend dem österreichischen Patent entsprach, dessen Priorität es in Anspruch nahm. Der Patentschutz ist erloschen (Patent in Österreich: 2002; Patent in Deutschland: 2003).
Zum Sortiment der Klägerin gehört unter ande...