Leitsatz (amtlich)
Für den Grundrentenzuschlag nach § 76 g SGB VI ist eine gesonderte Bagatellprüfung nach § 18 VersAusglG durchzuführen, weil es sich um einen selbständigen Teil des bei der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechts handelt.
Normenkette
SGB VI § 66 Abs. 1, §§ 76g, 97a, 120f Abs. 2 Nr. 3, § 307e; VersAusglG § 18
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Aktenzeichen 110 F 835/21) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde wird Nummer 2 des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 18.02.2022 ergänzt und folgender Absatz angefügt: Ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. 50 030951 H 574) findet bezüglich der von ihr erworbenen Grundrenten-Entgeltpunkte nicht statt.
2. Gerichtskosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Das Amtsgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 18.02.2022 die Ehe der im Jahr 1951 geborenen Antragstellerin und des im Jahr 1952 geborenen Antragsgegners geschieden und ausgehend von einer versorgungsrechtlichen Ehezeit vom 01.09.1997 bis 31.03.2021 den Versorgungsausgleich durchgeführt. Hinsichtlich des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund hat es die erworbenen Entgeltpunkte im Wege der internen Teilung ausgeglichen. Laut der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 04.01.2022 hat die Antragstellerin auch Entgeltpunkte in der allgemeinen Rentenversicherung aus einem Grundrentenzuschlag erworben und zwar einen Ehezeitanteil von 0,2871 Entgeltpunkten. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat hierzu einen Ausgleichswert von 0,1436 Entgeltpunkten mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 1.109,54 EUR vorgeschlagen.
Gegen den genannten der Deutschen Rentenversicherung Bund am 11.03.2022 zugestellten Endbeschluss wendet sie sich mit ihrer am 22.03.2022 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, mit der sie rügt, im Beschluss des Familiengerichts sei der Grundrentenzuschlag nicht berücksichtigt worden.
Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Antragstellerin verteidigt die Entscheidung des Amtsgerichts. Gegen die Ankündigung des Senats, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wurden keine Einwände erhoben.
II. Die Beschwerde ist gem. §§ 58 ff., 228 FamFG statthaft und zulässig.
Der Senat hat von einer mündlichen Erörterung abgesehen, da die Beteiligten rechtliches Gehör hatten und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist (§ 68 Abs. 3, § 221 Abs. 1 FamFG).
Die Teilanfechtung des Versorgungsausgleichs ist zulässig (BGH FamRZ 2016, 794; 2011, 547). Der Überprüfung durch den Senat unterliegt daher die Entscheidung des Amtsgerichts nur in Bezug auf das von der Beschwerde erwähnte noch auszugleichende Anrecht. Der Grundrentenzuschlag ist dabei ähnlich wie z. B. erworbene Entgeltpunkte (Ost) als eigenständiges Anrecht gesondert auszugleichen. Dementsprechend beschränkt sich die dem Senat angefallene Beschwerde auch auf diesen Ausgleich.
Die Beschwerde ist auch begründet. Die Deutsche Rentenversicherung Bund weist zutreffend darauf hin, dass der in ihrer Auskunft aufgeführte Grundrentenzuschlag in der Entscheidung des Amtsgerichts unberücksichtigt blieb.
Bei den nach §§ 76g, 307e SGB VI ermittelten Grundrenten-Entgeltpunkten handelt es sich um eine besondere Entgeltpunkteart gemäß § 120f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI, die nicht mit den übrigen Entgeltpunktearten verrechnet werden darf. Sofern einem Ehegatten in der Ehezeit Grundrenten-Entgeltpunkte zuzuordnen sind, werden diese in den Auskünften gesondert dargestellt und sind auch gesondert auszugleichen (vgl. Bachmann/Borth, FamRZ 2020, 1609, 1611 f.). Nur auf diese Weise kann der Versorgungsträger die besondere Einkommensanrechnung nach § 97a SGB VI auch bei dem Ausgleichsberechtigten umsetzen.
Der Ausgleich des Anrechts ist aufgrund der Unterschreitung der Wertgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG von 3.948,00 Euro gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG auszuschließen.
Vergleichbar mit Entgeltpunkten (Ost) ist hinsichtlich der Grundrenten-Entgeltpunkte eine eigenständige Ermessensentscheidung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG zu treffen, da der Ausschluss von Bagatellanrechten grundsätzlich auch für einzelne Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung gilt (zu Entgeltpunkten (Ost): BGH FamRZ 2012, 192 Rn. 39). Mehrere Anrechte mit unterschiedlichen wertbildenden Faktoren bei demselben Versorgungsträger sind für den Versorgungsausgleich gesondert zu behandeln (BGH FamRZ 2012, 189 Rn. 13). Gegen eine eigenständige Bewertung der Anrechte könnte § 66 SGB VI sprechen, wonach die persönlichen Entgeltpunkte auch aus den Zuschlägen an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 SGB VI) zu ermitteln sind und mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt werden. Persönliche Entgeltpunkte nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 sind gemäß dessen Satz 2 für die Anwendung von § 97a SGB VI aber - anders als z. B. die Mindestentgeltpunkte bei geringem ...